Bundesfinanzminister beim Steuerberater-Kongress Schäuble lehnt alle Steuersenkungen ab

Berlin · Auf dem Steuerberater-Kongress reagiert der Bundesfinanzminister genervt auf die vielen Steuervorschläge der SPD. Schäuble warnt den Koalitionspartner vor Illusionen und "Blasenbildungen". Sein Ziel ist der Haushaltsausgleich 2015.

Wolfgang Schäuble hat schon viel erlebt in der großen weiten Welt der Steuerpolitik. "Ach, wissen Sie, die Verheißung eines einfacheren Steuerrechts mache ich auf meine alten Tage nicht mehr", sagt der 71-Jährige auf der Bühne des Maritim-Hotel Berlin, wo ihm auf ihrem Kongress 1500 Steuerberater aus allen Teilen Deutschlands konzentriert zuhören. "Es gibt im 21. Jahrhundert nicht den Bierdeckel, auf dem wir tanzen können", sagt der Bundesfinanzminister in Anspielung auf den früheren CDU-Politiker Friedrich Merz, der einst geglaubt hatte, die Komplexität des Steuersystems auf die Größe eines Bierdeckels reduzieren zu können.

Für steuerpolitische Illusionen, von denen Schäuble gar nichts hält, sorgt im Augenblick vor allem die SPD. Die hat wenige Monate nach dem Start der großen Koalition einen Kniff entdeckt, wie sie Schäuble ärgern kann - und gleichzeitig das eigene Profil als vermeintliche Mittelstandspartei schärfen kann. Angeführt von Parteichef Sigmar Gabriel häufen sich die Vorschläge von SPD-Politikern für alle Arten von Steuervereinfachungen, -senkungen oder -erleichterungen. Die SPD weiß zwar, dass sie so gut wie nichts davon wird umsetzen können, denn das erklärte Ziel des Koalitionspartners ist es, 2015 und danach den Etat-Ausgleich zu schaffen. Zudem werden auch die Bundesländer jede Steuerrechtsänderung im Bundesrat zurückweisen, die ihnen Einnahmenverluste bescheren würde. Doch das kümmert die SPD derzeit nicht. Sie fordert munter, die Abgeltungsteuer abzuschaffen, den Arbeitnehmer-Pauschbetrag zu erhöhen oder die "kalte Progression" zu bekämpfen, bei der Lohnerhöhungen durch steigende Steuersätze aufgezehrt werden.

Schäuble reagiert zunehmend genervt auf dieses Spielchen - auch weil die Medien dabei mittun. Es bringe nichts, wenn ständig "neue Säue durchs Dorf getrieben" würden, wettert er vor den Steuerberatern. Die "mediale Blasenbildung" würde nur die Bürger verunsichern.

Die deutsche Steuerquote - das Verhältnis der Steuern zur Wirtschaftsleistung - sei mit 23,8 Prozent gering, Deutschland damit international wettbewerbsfähig, sagt Schäuble. Auch sei der progressive Einkommensteuertarif sozial gerecht, weil die reichsten ein Prozent der Steuerzahler 20 Prozent zum Aufkommen beitrügen, die oberen zehn Prozent die Hälfte. Zugleich würden 40 Prozent der Erwachsenen gar keine Steuern zahlen.

Aber freilich sei auch er dafür, die "kalte Progression" zu bekämpfen; eigentlich habe er darauf sogar das "Copyright", sagt Schäuble. Doch die SPD-geführten Länder hätten den Abbau in der letzten Legislaturperiode im Bundesrat verhindert. "Wenn es eine Chance gibt, dass wir das im Bundesrat umsetzen, werden wir das blitzschnell tun", verspricht Schäuble. Doch er lässt auch keinen Zweifel, dass der Bundesrat auch diesmal nicht zustimmen würde. Die Union werde zur Gegenfinanzierung jedenfalls keiner Erhöhung des Spitzensteuersatzes zustimmen. Auch der Abbau von Steuersubventionen, den SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider ins Gespräch gebracht hatte, sei nichts anderes als eine "schönere Formulierung für eine Steuererhöhung".

Die Bekämpfung der "kalten Progression" sei auch nicht das wichtigste Problem, wie Gabriel zuweilen den Anschein erwecke. Denn bei einer Inflationsrate von nur einem Prozent steige die Kaufkraft der Steuerzahler eben auch dann, wenn die kalte Progression einen Teil ihrer Gehaltserhöhungen auffrisst.

Auch den Ruf nach Abschaffung der Abgeltungsteuer wischt Schäuble vom Tisch. Bevor der automatische Informationsausgleich von Kundendaten aus Ländern wie der Schweiz funktionieren werde, vergingen noch Jahre. Erst 2017 oder noch später sei es so weit. "Bis der Informationsaustausch nicht eingeführt ist, bleibt die Abgeltungsteuer richtig", sagt Schäuble. Und er zitiert seinen Vorgänger Peer Steinbrück (SPD): Für den Fiskus sei es besser, er habe "25 Prozent von x als 45 Prozent von nix". Die Einführung des automatischen Informationsaustausches werde technisch "schwieriger als die Einführung von Toll Collect", dem Geldsammelsystem bei der Lkw-Maut, prophezeit Schäuble. Den SPD-Länderfinanzministern, die dennoch für die Abschaffung der Abgeltungsteuer seien, unterstellt er Ahnungslosigkeit.

Lange Rede, kurzer Sinn: In der Steuerpolitik wird laut Schäuble in dieser Periode nur dann etwas passieren, wenn das Verfassungsgericht Vorgaben macht, etwa bei der Erbschaftsteuer. Abgesehen davon ist Schäuble jederzeit zu Scherzen bereit - zum Beispiel zu diesem: "Am Ende der Legislaturperiode könnte ich mit 75 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen, weil ich dann 45 Bundestagsjahre voll habe."

(mar)
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