"Wulff setzt in Auschwitz das richtige Zeichen"

Gastbeitrag Ronald Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses, zum Besuch des Bundespräsidenten im ehemaligen Vernichtungslager

Als vor 66 Jahren das Vernichtungslager Auschwitz befreit wurde, bekam die Weltöffentlichkeit einen unwiderlegbaren Einblick in das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte. Der Antisemitismus nicht nur eines Landes und einer Generation hatte Millionen Juden in den Tod geführt. Man sollte meinen, dass 66 Jahre später für Antisemitismus in Europa und auf der ganzen Welt kein Platz mehr ist. Das Gegenteil ist der Fall. Der Antisemitismus lebt und gedeiht.

Auch in Europa verzeichnen wir eine zunehmende Feindlichkeit gegenüber Juden, die von Schmierereien an den Wänden über Brandanschläge bis zu gewaltsamen Übergriffen und immer wieder auch zu Mordtaten führt. Oft sind Juden und jüdische Einrichtungen auf den dauerhaften Schutz der Polizei angewiesen. Doch auch dieser Schutz verliert seine beruhigende Wirkung, wenn wie in Ungarn 2010 eine neonazistische Partei mit 16 Prozent ins Parlament gewählt wird, deren erklärtes Ziel die Säuberung des Landes von "Schädlingen" ist – gemeint sind damit natürlich Juden und Roma. Im schwedischen Malmö gab der Bürgermeister den Juden eine Mitschuld an Angriffen radikaler Muslime auf sie – wegen des Gaza-Kriegs. Ein Aufschrei der Politik und der anständigen Bürger in Schweden blieb aus.

Christian Wulff hat die Zeichen der Zeit erkannt. Noch als niedersächsischer Ministerpräsident organisierte er 2010 eine große Gedenkfeier in Bergen-Belsen. Mit seinem viertägigen Antrittsbesuch in Israel, bei dem ihn seine 17-jährige Tochter begleitete, hat er auch dort gleich im ersten Amtsjahr ein wichtiges Zeichen der Solidarität mit jenem Staat gegeben, der von den Überlebenden des Holocaust aufgebaut wurde.

Nun besucht er Auschwitz, den größten Judenfriedhof der Welt. Das bei der deutschen Bevölkerung populäre Staatsoberhaupt macht sich so zu einem Vorbild, gerade für die Jüngeren. Auf der europäischen Bühne sind solche Zeichen der Verbundenheit mit den Juden und ihrem Staat leider nicht alltäglich. Dabei war es doch die Gleichgültigkeit, das Schweigen und das zögerliche Verhalten der europäischen Politik, die in den 30er Jahren Nazideutschland ermöglicht hat, die Vernichtung des europäischen Judentums zu planen und umzusetzen. Viel zu viele haben weggesehen und gedacht, es werde schon nicht so schlimm kommen. Manche dachten, die Juden seien selbst schuld an ihrem Unglück.

Sieben Jahrzehnte später wird das Existenzrecht des einzigen jüdischen Staates in der Welt wieder offen in Zweifel gezogen, auch in weiten Kreisen europäischer Intellektueller. Es wird wieder weggeschaut und geschwiegen, wo energisches Eintreten gegen die Feinde der Juden und aktive Unterstützung für Israel gefragt wären. Der jüdische Staat ist wieder zum Sündenbock der Weltpolitik geworden.

Es ist gut, dass es Politiker wie Bundespräsident Wulff gibt, die dabei nicht mitmachen, sondern Zeichen setzen, dass es auch anders geht. Man darf über die Lehren aus dem Holocaust nämlich nicht nur reden, man muss auch entsprechend handeln.

(RP)
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