Chinas Staatspräsident So mächtig ist Xi Jinping wirklich

Düsseldorf · Der chinesische Staatspräsident gibt sich modern und jovial, ist Gegnern gegenüber aber knallhart. So mächtig wie Xi Jinping war niemand seit Deng Xiaoping.

Wer wissen will, was sich in China verändert hat, seit Xi Jinping vor zwei Jahren zum Führer des Riesenreichs aufgestiegen ist, der kann auch in der schicken Pariser Avenue Montaigne nachfragen. Dort befindet sich die Zentrale des weltgrößten Luxusgüter-Konzerns LVMH, der mit Dutzenden Prestigemarken wie Louis Vuitton oder Hennessy rund um den Globus Milliardenumsätze macht. Die Ära Xi freilich hat in den normalerweise champagnerseligen LVMH-Bilanzen erhebliche Schleifspuren hinterlassen. Seit der neue starke Mann Chinas zur Jagd auf korrupte Partei-Funktionäre geblasen hat, ist die Nachfrage nach goldenen Uhren, schicken Handtaschen und feinem Cognac in China, einem der wichtigsten Märkte der Luxus-Branche, im freien Fall.

Xis Antikorruptionskampagne ist die größte ihrer Art seit der Kulturrevolution 1966, und für Chinas Präsidenten ist sie in doppelter Hinsicht profitabel. Zum einen hat der Feldzug gegen die Selbstbediener im Staatsapparat Xis Popularität im Volk, das chronisch unter der Willkür gieriger Beamter und Parteibonzen zu leiden hat, weiter gestärkt. Und zum anderen erlaubte ihm die radikale Säuberungswelle, sich innenpolitischer Widersacher und potenzieller Rivalen zu entledigen. Mehr als eine Viertelmillion Parteimitglieder hat die KP-Spitze inzwischen ausschließen lassen. Auch Hunderte hohe Beamte und Parteisekretäre wurden wegen Korruption an den Pranger gestellt und teils hart bestraft. Nachdem unlängst selbst ein Mann wie Zhou Yongkang, bis 2012 Mitglied des Ständigen Ausschusses im KP-Politbüro und beinahe allmächtiger Geheimdienstchef, in Handschellen abgeführt wurde, ist klar: Mit 61 Jahren ist Xi so mächtig wie kein chinesischer Führer vor ihm seit dem Tod des großen Reformers Deng Xiaoping 1997.

Xi inszeniert sich als Führer

Eine Rolle, die Xi ebenso geschickt wie selbstbewusst ausfüllt. Hatten sich seine Vorgänger gerne hinter der grauen Fassade der Partei versteckt, bricht Xi mit allen verstaubten Konventionen der kollektiven Machtausübung und inszeniert sich als entschlossener und zugleich offenherziger Führer. Auch nach der Massenpanik mit 36 Toten in Schanghai rief Xi dazu auf, den Vorfall restlos aufzuklären. Die Medien dürfen ihn bei seinem Spitznamen nennen: "Onkel Xi". Nichts Ungewöhnliches für einen westlichen Spitzenpolitiker, aber eine Revolution für China. Xi wird zudem bewundert für seine Größe von 1,80 Meter, mit der der Präsident im Kreis westlicher Staatschefs eine gute Figur macht.

Xi spielt auch gekonnt auf der Klaviatur des westlichen Polit-Stils, um sich als charismatischer Führer zu positionieren. Ein eigenes Team wacht über sein Image in der Öffentlichkeit und steuert die Medien-Berichterstattung - auch das ist ein Novum. So werden die Chinesen mit sorgsam destillierten, aber durchweg belanglosen Details aus seinem Privatleben beglückt, etwa dass Xi ein begeisterter Schwimmer ist und wie Mao Tsetung Hollywood-Filme mag.

Xi zeigt sich entgegen allen Traditionen oft mit seiner Frau

Und dann wagt Xi auch noch etwas, was seit der Verhaftung von Maos Witwe 1976 in Chinas Macht-Zirkel extrem verpönt war: Er zeigt sich bei jeder Gelegenheit mit seiner Frau, Peng Liyuan. Die 52-Jährige war bereits eine höchst populäre Sängerin, bevor ihr Mann ins höchste Staatsamt aufrückte. Seither spielt sie eine neue, noch größere Rolle: die einer First Lady amerikanischen Stils, mit eleganten Auftritten in extravaganten Roben, die ihr sogar einen Eintrag in die Liste der bestgekleideten Frauen im Mode-Magazin "Vanity Fair" bescherte. Aufmerksame Beobachter haben festgestellt, dass Xi sogar die Farbe seiner Krawatten auf die Kleider seiner Frau abstimmt.

Hinter der Fassade von kalkuliertem Glamour und demonstrativer Leutseligkeit jedoch macht Xi knallharte Politik. Gezielt konzentriert er immer mehr Macht in seinen Händen. Inzwischen hat er nicht nur die Ämter des KP-Generalsekretärs, des Vorsitzenden der Militärkommission und des Staatspräsidenten inne, sondern hat sich auch den Vorsitz einer ganzen Reihe weiterer strategisch wichtiger Gremien und Kommissionen geangelt.

Xi verspricht Reformen und weiter wachsenden Wohlstand, aber ein freieres Land ist China seit seinem Amtsantritt als Staatschef im Frühjahr 2013 nicht geworden. Im Gegenteil: Die Kontrolle über das Internet und insbesondere die sozialen Netzwerke, in denen sich politische Kritik innerhalb Chinas am ehesten verbreiten lässt, ist schärfer denn je.

Xi ist nicht zimperlich in der Ausübung der Macht, und auch der Außenwelt demonstriert er sie in einer Weise, die keiner seiner Vorgänger gewagt hätte. Besonders die USA bekommen das zu spüren. Wenigstens bei öffentlichen Auftritten gaben sich chinesische Staatsführer früher bescheiden und zeigten höflichen Respekt gegenüber der Weltmacht. Xi Jinping hat auch in diesem Punkt mit den Konventionen gebrochen. Seine erste Reise als chinesischer Staatspräsident führte ihn nicht zu Barack Obama nach Washington, sondern zu Wladimir Putin nach Moskau. Und auch auf dem Gruppenfoto zum Abschluss des im November mit großem Pomp in Peking inszenierten Gipfels der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft Apec zog Xi den Russen demonstrativ an seine Seite, während Obama an den Rand bugsiert wurde. In Washington spielt man solche Gesten herunter, aber gerade in Asien ist die Botschaft angekommen: China will den USA auf Augenhöhe begegnen - mindestens.

Tappt Xi in die Falle?

Noch ist nicht ganz klar, ob Xi begriffen hat, dass er damit in eine Falle tappt, vor der sein Vorgänger Deng Xiaoping immer gewarnt hat: dass Chinas Großmannssucht seine Nachbarn zu einem Bündnis gegen Peking zusammenschweißt, bevor der schwierige Sprung Chinas von einem Entwicklungsland zu einer Industrienation geglückt ist. Davon ist das Land jedoch noch weit entfernt, auch wenn die Boom-Jahre das manchmal vergessen lassen.

China steht die schwierigste Etappe noch bevor: Was passiert, wenn sich das Wirtschaftswachstum weiter abschwächt? Wenn der angestrebte Übergang zur Konsumgesellschaft scheitert? Wenn Chinas neue Mittelschicht enttäuscht auf die Barrikaden geht? Xi Jinping hat die Rolle des starken Mannes gewollt. Aber das bedeutet auch: Wenn die Sache schiefgeht, kann er die Verantwortung dafür niemand anderem zuschieben.

(RP)
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