Interview mit SPD-Generalsekretärin Fahimi "Bei Sprachkursen droht eine Lücke von 50 Millionen Euro"

Berlin · Die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi über den Kompromiss bei der doppelten Staatsbürgerschaft, der heute im Bundestag beraten wird.

Welche gesellschaftlichen Veränderungen erwarten Sie konkret durch das neue Staatsangehörigkeitsrecht?

Fahimi Ich erhoffe mir ein besseres gesellschaftliches Klima. Denn wir stoßen damit die Tür weit auf für die Menschen, die zu uns nach Deutschland kommen. Viele Migranten und ihre Kinder haben bei uns längst eine Heimat gefunden. Der Wegfall der Optionspflicht trägt dazu bei, dass sie sich besser aufgenommen fühlen. Migrantenkinder stehen künftig nicht mehr vor der unsinnigen Wahl, sich für uns zu entscheiden oder für das Land ihrer Eltern.

Wie zufrieden sind Sie mit dem Kompromiss, der bei der doppelten Staatsbürgerschaft erreicht wurde?

Fahimi Ich bin mit dem Kompromiss sehr zufrieden, auch wenn ich mir aus SPD-Sicht mehr hätte vorstellen können. Doch die Union hat sich einer weitergehenden Regelung verweigert. Nun gehen wir den ersten Schritt. Damit bieten wir Zuwanderern eine Perspektive, Staatsbürger dieses Landes zu werden. Wir haben dafür eine unbürokratische Lösung gefunden, die den meisten Betroffenen und den Behörden keinen großen Aufwand beschert.

Bringt der Wegfall der Optionspflicht einen Schub für die Integration?

Fahimi Ganz sicher, denn künftig werden pro Jahr etwa 40 000 Menschen nicht mehr vor die Frage gestellt, ob sie ihre deutsche Staatsbürgerschaft behalten wollen. Natürlich stärkt der deutsche Pass das Gefühl, ein gleichberechtigter Bürger dieses Landes zu sein. Im Übrigen ist die Mehrheit der Zuwanderer bereits heute sehr gut in Deutschland integriert. Einige wenige Negativbeispiele verdecken die Tatsache, wie geräuschlos und problemfrei die Integration im Großen und Ganzen gelungen ist.

Rund läuft es aber nicht überall ...

Fahimi Die Integrationsprogramme könnten tatsächlich besser sein. Der Bund muss Länder und Kommunen in die Pflicht nehmen, Programme und Sprachkurse zu verbessern. Es geht aber nicht allein um die deutsche Sprache. Wir können von anderen Ländern wie Dänemark lernen, die ihren Neubürgern viel besser erläutern, wie das Land funktioniert, wie Behördengänge ablaufen. Das ist eine ganz praktische Hilfestellung.

Wie viel Geld muss vom Bund kommen, um den Kommunen zu helfen?

Fahimi Bei den Sprachkursen droht aktuell eine Finanzlücke von 50 Millionen Euro pro Jahr. An dieser Stelle ist Bundesinnenminister Thomas de Maizière gefordert, sicherzustellen, dass Sprachkurse weiterhin flächendeckend angeboten werden können.

Wie muss Zuwanderung in Zukunft aussehen? Braucht es ein neues Zuwanderungsgesetz?

Fahimi Wir müssen die klassische Zuwanderung auf den Arbeitsmarkt besser lenken. Länder wie die USA, Kanada und Australien machen es vor: Deutschland braucht ein Zuwanderungsgesetz, das diesen Zustrom ordnet. Im Sinne der Betroffenen und im Sinne unseres Arbeitsmarkts. Ein Punktesystem könnte helfen, Einwanderungswillige nach Ausbildung, Alter und Sprachfähigkeit auszuwählen.

Jan Drebes und Eva Quadbeck führten das Gespräch.

(jd, qua)
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