Serie Freizügigkeit In Der Europäischen Union Zuwanderer bringen Sozialkassen Geld

Armutsflüchtlinge machen Städten wie Duisburg zunehmend zu schaffen, doch die Öffnung des Arbeitsmarkts am 1. Januar müssen die Kommunen nicht fürchten. Im Gegenteil: Mehr Migranten helfen der Wirtschaft, sagen Experten.

Berlin Wachsende Kriminalität, Verschmutzung und soziales Elend in vielen Wohnsiedlungen – Städte wie Duisburg, Dortmund und Köln haben mit den Folgen der Armutszuwanderung vor allem aus Rumänien und Bulgarien zu kämpfen. Doch Migrationsexperten wie Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) warnen davor, wegen der sozialen Probleme in schwächeren Kommunen die Stimmung gegen mehr Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien zu schüren: Gerade aus diesen Ländern seien überproportional viele gut qualifizierte Arbeitskräfte nach Deutschland gekommen. "Rumänen und Bulgaren gehören zu den am besten integrierten Ausländergruppen in Deutschland."

Allerdings seien seit dem Ausbruch der europäischen Finanzkrise 2010 zunehmend auch geringer qualifizierte Menschen aus den beiden EU-Ländern gekommen, die vor allem dorthin gingen, wo bereits Familienangehörige wohnen. Die wachsenden sozialen Probleme in Duisburg, Dortmund und anderswo will auch Brücker nicht leugnen.

Die CSU greift die Sorgen der Bürger in diesen Kommunen auf und hat dazu ein umstrittenes Papier verfasst, das sie auf ihrer alljährlichen Fraktionsklausur kommende Woche in Wildbad Kreuth beschließen will. Darin spricht sie vom "fortgesetzten Missbrauch der europäischen Freizügigkeit durch Armutszuwanderung". Sie fordert, den Bezug von Sozialleistungen in den ersten drei Monaten des Aufenthaltes in Deutschland generell auszuschließen. Wem Sozialleistungsbetrug nachgewiesen werde, der solle ausgewiesen werden können. Hier müsse gelten: "Wer betrügt, der fliegt", so das CSU-Papier.

Es nimmt Bezug auf die vollständige Öffnung des Arbeitsmarkts für Bulgaren und Rumänen ab 1. Januar 2014: Von diesem Datum an dürfen nicht nur Selbstständige und Hochqualifizierte ohne Beschränkungen in Deutschland arbeiten, sondern grundsätzlich alle Bürger. Die Sorge, die Freizügigkeit werde die Zahl der Armutsflüchtlinge weiter anschwellen lassen, sei aber völlig unbegründet, sagt Brücker: "Durch die Freizügigkeit wird das Qualifikationsniveau der Zuwanderer wieder steigen. Sie schafft Beschäftigung." Seitdem es die Freizügigkeit etwa für die Polen gebe, sei deren Arbeitslosenquote in Deutschland rasant um fünf Prozentpunkte gesunken.

Zudem hätten zuziehende EU-Bürger aus Bulgarien und Rumänien – anders als die CSU in ihrem Papier behauptet – keinen Anspruch auf Sozialleistungen. Allerdings hatte es unlängst einige Urteile von Landgerichten gegeben, die arbeitslosen Zuwanderern aus Bulgarien und Rumänien unter bestimmten Bedingungen doch Leistungen aus dem System zugesprochen hatten. Nun wird dazu ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs erwartet. Sollte dies Anreize für eine verstärkte Zuwanderung ins deutsche Sozialsystem auslösen, "bin ich sicher, dass der Gesetzgeber reagieren wird und dies verhindert", sagt Brücker. Das Bundesarbeitsministerium erklärte, es wolle zunächst abwarten. Bisher seien keine gesetzlichen Änderungen geplant.

Die Debatte über Armutsflüchtlinge aus Bulgarien und Rumänien droht den Blick auf die Bedeutung der Einwanderung für Deutschland zu verstellen. Nach einer Schätzung von Holger Bonin vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung erhöht jeder Zuwanderer im Schnitt und pro Jahr die Einnahmen der Sozialkassen um 2000 Euro. Langfristig gewinne die Sozialversicherung im Schnitt 14 000 Euro durch Beitragszahlungen von Migranten. Migranten fielen dem Sozialstaat weniger zur Last als die übrige Bevölkerung, weil sie im Schnitt jünger seien. "Personen mit Migrationshintergrund beziehen deutlich seltener staatliche Transferleistungen als Menschen ohne Migrationshintergrund", sagt auch Brücker.

(mar)
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