50 Jahre Daimlerwerk

Düsseldorf · Angefangen hat die Düsseldorfer Automobilproduktion mit dem Hersteller DKW auf einem ausgebombten Rheinmetall-Areal. Dann kam Daimler an den Rhein. Der "Düdo" genannte Düsseldorfer Transporter machte das Derendorfer Werk in Fachkreisen bekannt. Heute läuft der Sprinter hier vom Band. Mehr als 700 Transporter verlassen pro Tag die Fabrik. Nächste Woche feiert Mercedes seinen 50. Geburtstag in Düsseldorf.

50 Jahre Daimlerwerk in Düsseldorf
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Düsseldorf steht für Persil, für die Victoria-Versicherung, in Düsseldorf wurden die berühmten nahtlosen Mannesmannröhren gefertigt. Aber Autos? Seit mehr als fünf Jahrzehnten ist die Landeshauptstadt auch ein Automobilstandort. 700 Fahrzeuge werden jeden Tag im Derendorfer Daimler-Werk gebaut. Mehr als 6600 Mitarbeiter arbeiten in der Sprinter-Schmiede. Doch das Wissen darum ist gering. "Düsseldorf wird einfach nicht als Autostadt wahrgenommen", sagt Michael Colberg, Werksleiter bei Daimler Düsseldorf.

Düsseldorf ist aber sehr wohl eine Autostadt. Im Sprinterwerk arbeiten zum Beispiel deutlich mehr Menschen als im berühmten Bochumer Opelwerk, um das seit Jahren gerungen wird. Begonnen hat die Geschichte der Düsseldorfer Automobilindustrie nach dem Zweiten Weltkrieg.

1949 ist auch am Rhein vom Wirtschaftswunder noch nichts zu spüren. Große Teile der Stadt liegen in Trümmern — so auch ein Werk von Rheinmetall. Da der jungen Bundesrepublik nicht gestattet wird, eine eigene Rüstungsindustrie aufzubauen, ist an einen Wiederaufbau der alten Waffenfabrik nicht zu denken — sie wird demontiert.

Die Stadt muss umdenken und die Idee wird laut, ein Autowerk an den Rhein zu holen. Die Hoffnung, dass in einem wiederaufgebauten Deutschland vor allem Mobilität gefragt sein wird, ist groß. Gleichzeitig finden sich in Westdeutschland ehemalige Vorstände der sächsischen Auto Union zusammen.

Ihr Unternehmen, einst ein führender Autohersteller, liegt in der sowjetischen Besatzungszone. Die Fabriken werden demontiert, die Firma aus dem Handelsregister gelöscht. Die alte Belegschaft aber will im Westen einen Neu-Anfang wagen und die Auto Union wieder aus der Taufe heben.

Derweil entsteht in Ingolstadt die neue Zentrale der Audi-Vorläuferfirma. Zu den Marken gehören DKW, Audi, Horch und Wanderer. Für die Pkw-Produktion wird ein weiterer Standort gesucht. Dutzende Städte aus dem ganzen Land bewerben sich. Mitte Dezember 1949 heißt es in einem Schreiben der Auto Union: "Das Werk Düsseldorf ist bestimmt, die Serienfertigung des DKW-Personenwagens aufzunehmen und damit die Haupt-Fabrikationsstätte zu werden. Düsseldorf ist unter den vielen von deutschen Ländern und Großstädten angebotenen industriellen Objekten nach Standort und Größe hervorragend geeignet."

Im März 1950 beginnen die Aufräumarbeiten. 35 Prozent der Derendorfer Werkshallen sind durch den Krieg zerstört. Nach wenigen Monaten startet in einer 10 000 Quadratmeter großen Halle die Produktion. Im August läuft der erste DKW F 89 Meisterklasse in Derendorf vom Band — die Geburtsstunde der Autostadt Düsseldorf.

Der Wagen ist, wie auch der VW-Käfer, eine Vorkriegsentwicklung. 5830 Mark kostet das Auto — nach heutiger Kaufkraft umgerechnet gut 11.000 Euro. 100 Kilometer pro Stunde soll der 1,3 Tonnen schwere Wagen mit seinen 23 PS laut Prospekt erreichen. Schon im November feiert Düsseldorf den 1000. Wagen.

Die Presse jubelt. So schreiben die "Düsseldorfer Nachrichten" damals: Man könne kaum glauben, "daß sich aus völliger Zerstörung in kaum sieben Monaten ein Aufbau abzeichnet, dessen großzügige Planung und schneller Teilaufbau alle Trümmer vergessen läßt."

In der DDR läuft zur selben Zeit der fast gleiche Wagen vom Band. Auch die Ostdeutschen haben Baupläne für die Vorkriegskarosse. Das Pendant zur DKW Meisterklasse heißt IFA F 5 und wurde in Zwickau gebaut. Bald arbeiten mehr als 4000 Mitarbeiter im Derendorfer Autowerk. Auch wenn sich der neue DKW 3=6 gut verkauft, fehlen der Auto Union die finanziellen Mittel, um mit anderen Autobauern mitzuhalten.

Die Verluste häufen sich. Die Zahl der Mitarbeiter muss in allen Standorten reduziert werden. Einer der Hauptaktionäre, Friedrich Flick, verkauft seine Anteile 1958 an Daimler-Benz. Die kränkelnde Marke Auto Union, und damit auch DKW, sollen aber erhalten bleiben. Offiziell begründet man die Übernahme bei DKW selbstbewusst: "Daimler-Benz hätte für die Herstellung eines eigenen Mittelklasse-Wagens ein neues Werk errichten und dafür Investitionen aufbringen müssen. Unsere DKW-Wagen-Produktion erspart diesen Umweg und Aufwand", heißt es in einer offiziellen Mitteilung von DKW.

Tatsächlich aber haben die Stuttgarter keine Sympathien für die DKW, die mit stinkenden Zweitaktmotoren arbeiten. Auch das Derendorfer Werk gerät in die Kritik. In einer Sitzung berichtet ein Vorstand nach einer Besichtigung des Werks Düsseldorf: Die Fabrik sei "mit einem Werkzeugmaschinenpark ausgerüstet, mit welchem man noch in altväterlicher Weise die Bearbeitung vornehme." Und weiter "… das in Düsseldorf gebaute Modell ist im Übrigen altmodisch und unmodern!" Die DKW-Modellpalette passt nicht zur gehobenen Marke Mercedes.

Die Daimler-Manager verlieren das Interesse. 1964 wird die Auto Union an Volkswagen verkauft. Heute ist Nachfolger Audi die Vorzeigemarke des VW-Konzerns. Das Düsseldorfer Werk aber wollen die Stuttgarter auf jeden Fall behalten. Daimler löst die Fabrik bereits 1960 aus dem Auto-Union-Verbund und pachtet die Hallen in Derendorf selbst, später kauft Daimler die Anlagen komplett. Zunächst ist in Stuttgart die Verlegung einer Pkw-Modellreihe nach Düsseldorf im Gespräch.

Doch dann kommt das Management auf die Idee, den Transporter L 319 aus Sindelfingen und dessen Omnibus-Bruder O 319 aus Mannheim nach Düsseldorf zu verlegen. Der letzte in Düsseldorf gefertigte Pkw, ein Auto Union 1000, läuft im Juni 1961 vom Band.

Im April 1962 beginnt die Produktion von Transportern. In der Gewerbeanmeldung heißt die Fabrik "Daimler-Benz AG Werk 65", die Betriebsstätte kurz "D'dorf, Rather Str. 51". Die ersten Transporter und vor allem die Busse werden für viele zum Symbol der 1960er Jahre. Das Panorama-Dach der kleinen Kugel-Busse erlaubt einen Blick zum Himmel.

Die Jubiläums-Chronik zeigt einen L 319 aus Düsseldorf, der mit der Aufschrift "Kabul-Traffic" bis heute in Afghanistan als Krankenwagen im Einsatz ist. Insgesamt werden 140 000 Fahrzeuge gebaut. Seine Nachfolger sollten das um Längen übertreffen. Die ersten heißen offiziell L 406, L 408 oder O 309. Doch diese Namen und auch die der folgenden Fahrzeuggeneration sind nicht eingängig genug. Der "Düsseldorfer Transporter" trägt den Namen des Werks in die Welt.

Fans nennen das Fahrzeug liebevoll "Düdo". Bei Polizei und Feuerwehr ist der Düdo beliebt, als gelber Laster der Deutschen Bundespost ist er überall im Land unterwegs. Berühmtheit erlangte die zweite Generation der Fahrzeuge unter dem Spitznamen "Berliner Wanne" — als meist schwer verbeulter Transporter der Berliner Polizei, die ihre Beamten damit zu Demonstrationen und Krawallen beförderte. Mehr als eine halbe Million Düdos werden gebaut.

Bis heute sind die Fahrzeuge der ersten Generation gelegentlich noch zu sehen — meist als umgebaute Wohnbusse, die stark an die Hippie-Zeit erinnern. 1991 geht die Produktion des Düdo ins ostdeutsche Ludwigsfelde. Ab 1977 wird der kleinere so genannte Bremer Transporter in Düsseldorf gebaut, der 1995 vom Sprinter abgelöst wird. Sein Name wird prägend für eine ganze Fahrzeug-Klasse.

Jeder geschlossene Sprinter in Europa und Nordamerika stammt aus Düsseldorf. In den USA wird er während der DaimlerChrysler-Ehe auch als Dodge verkauft, heute ebenso unter dem Label des Truck-Herstellers Freightliner. Und auch der VW LT und später der Crafter laufen in Düsseldorf vom Band, wegen einer Kooperation mit VW.

2012 fahren Sprinter "Made in DUS" bei der Rallye Aïcha des Gazelles in Marokko mit. "Mit verkürztem Radstand, Sandreifen, Überrollkäfig, Schalensitzen und Unterbodenschutz — ein leicht modifiziertes Serienfahrzeug", sagt Werksleiter Colberg.

Seit vielen Jahren gehört der Sprinter als häufigstes Fahrzeug zum Bild des Rosenmontagszugs — 25 Baggagewagen fahren im "Zoch". Und die Zukunft des Sprinters aus Düsseldorf? "Ein Elektrosprinter ist heute durchaus denkbar", sagt Colberg. Am Mittwoch feiert Daimler in Derendorf den 50. Geburtstag des Werks.

(anch)
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