Deutscher Webvideopreis 2012 in Düsseldorf Ballernde Brote und ein Protest-Video

Düsseldorf · Von Liebeshymnen für ein Toastbrot über realistisch nachgestellte Videospiele bis zum Protestvideo von ORF-Journalisten: Bei der Verleihung des Deutschen Webvideopreises in Düsseldorf war die Bandbreite an Beiträgen groß. Der Preis wurde am Samstagabend vor 500 geladenen Gästen im Savoy-Theater verliehen. Eine "normale" Gala war es aber nicht.

Die Verleihung des Webvideopreises 2012 in Düsseldorf
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Die Verleihung des Webvideopreises 2012 in Düsseldorf

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Oberbürgermeister Dirk Elbers durfte die Verleihung des Webvideopreises mit seinem ersten Webvideo eröffnen. Nicht nur seine Begrüßung ("Hi Leute, ich bins") kam beim Publikum gut an - das ganze Video, das aus mehreren Takes zusammengeschnitten war, erntete viel Applaus. Moderiert wurde die Gala von Christoph Krachten, der mit seiner Online-Talkshow "Clixoom" bekannt geworden ist. Er erklärte zu Beginn die "Spielregeln" des Abends: Jeder Besucher hatte eine Papiertüte an seinem Platz, mit der geraschelt werden durfte. Neben ein paar Snacks - an denen sich auch die Jury während der Verleihung bediente - waren darin auch Knicklichter, mit denen das Publikum winken durfte.

In rund anderthalb Stunden wurden aus jeder der insgesamt neun Kategorien Ausschnitte der nominierten Videos gezeigt und die Sieger geehrt. Die Jury, zu der unter anderem Moderatorin Katrin Bauerfeind (Harald Schmidt), Moderatorin Katrin Fricke (Coldmirror) und Milena Bonse (ZDF) gehörten, durfte auf der Bühne Platz nehmen, die wie ein gemütliches Wohnzimmer gestaltet war. Die Laudatio auf die jeweiligen Gewinner hielten sie kurz: Nicht länger als die für Twitter üblichen 140 Zeichen.

Ballernde Brote und ein Protest-Video

Das Trio von Y-Titty mit Philipp Laude, Matthias Roll und Oguz Yilma räumte gleich zwei Preise ab: Sie bekamen den Publikumspreis in der Kategorie "Let‘s Play" und für das "Webvideo des Jahres". In Zusammenarbeit mit dem Youtube-Künstler Gronkh haben die drei das Videospiel Grand Theft Auto (GTA) mit viel Liebe zum Detail und Humor in die Realität umgesetzt.

Johannes Brabandt (19) und Sebastian Ganschow (17) aus Hamburg holten sich den Jurypreis in der Kategorie "LOL". Ihr Kampf zwischen dem bösen Konditor und dem guten Bäcker, die sich mit Broten und Baguettes beschießen, kam bei der Jury offenbar gut an. "Man lolt immer dann am lautesten, wenn die Pointe überrascht", sagte Katrin Fricke zur Jury-Begründung.

Johannes und Sebastian waren überrascht, dass sie gewonnen haben: "Wir freuen uns ziemlich. Wir haben das unterschätzt: Wir dachten erst, das wäre ein Wettbewerb von vielen. Aber als dann die vielen Medienanfragen kamen, haben wir gemerkt, dass das doch was größeres ist", sagte Johannes. Eine tiefere Aussage haben die beiden für ihren Beitrag, an dem sie ein halbes Jahr gebastelt haben, aber nicht: "Eigentlich hatten wir einfach Spaß dran. Es lebte von der Idee, das man mit Broten schießt, das wars", erklärt Sebastian.

Dass der Preis nicht nur eine Verleihung für lustige Clips in semiprofessioneller Optik ist, bewies der Beitrag in der Kategorie "In my humble opinion" (IMHO): Weil sie mit den jüngsten Postenbesetzungen von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz nicht einverstanden waren, hatten ORF-Journalisten im Januar 2012 unter anderem einen eigenen YouTube-Kanal eröffnet. In einem knapp dreiminütigen Video treten darin 55 Redakteurinnen und Redakteure des Aktuellen Dienstes der Fernsehinformation für Unabhängigkeit und das Ende von parteipolitisch motivierten Postenbesetzungen ein.

Das Video gewann in der Kategorie IMHO den Jury- und den Publikumspreis und wurde von der Jury zum "Webvideo des Jahres" gekürt. Mario Sixtus erklärte bei der Vergabe knapp: "Als sie das Video veröffentlicht haben, habe ich damals getwittert: Die haben Eier." Sichtlich stolz nahmen die ORF-Redakteure Dieter Bornemann und Fritz Wendl die Preise entgegen: "Das ist ein Preis für Medienfreiheit und er zeigt wie öffentlich-rechtlicher Qualitätsjournalismus und neue Medien zusammengehören", sagte Wendl.

Der Veranstalter des Preises, die European Web Video Academy mit Sitz in Düsseldorf, will sich dafür einsetzen, dass dieses junge Mediengenre besser wahrgenommen wird. Markus Hündgen, Mitgründer des Preises, ist überzeugt, dass bewegte Bilder in Zukunft immer wichtiger werden: "Es wird nicht begrenzt sein auf Browser oder das Fernsehen", sagt Hündgen. "Unser Alltag wird in ein paar Jahren noch viel mehr durchdrungen sein von bewegten Bildern. Deswegen ist der Webvideopreis auch ein bisschen die Zukunft, denn diese Leute und auch Millionen andere hier in Deutschland sorgen irgendwann dafür, dass egal wo wir sind, wir Bewegtbilder haben."

Auch Journalist Richard Gutjahr, der Daniel Budiman in der Jury vertrat, sieht im Webvideo viel Potenzial: "In fünf oder zehn Jahren werden wir kein Fernsehen mehr haben, dass dieses Wort noch verdient. Wir haben es in der Musikindustrie gesehen: Die Leute stellen sich ihr eigenes Programm zusammen und das werden sich auch mit dem fern sehen tun. Sie werden sich Serien oder Filme suchen, aber nicht mehr einen Sender und da sind die Webvideoleute schon einen Ticken voraus."

Dass der ORF einen Preis bekam, der von einem überwiegen junge Publikum gemacht und mitgetragen wird, ist für Gutjahr ein positives Signal: "Es geht nicht mehr um alte gegen neue Medien. Mit dem Preis für den ORF haben wir jetzt endlich diesen Graben zugeschüttet, der schon lange zugeschüttet gehört."

(ila/rm/ila/anch)
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