Düsseldorf "Bewachte werden nicht rückfällig"

Düsseldorf · Herr Pfeiffer, auch wenn viele Einzelheiten über den 62-jährigen Sexualstraftäter nicht bekannt sind: Mit was für einem Menschen hat es Düsseldorf zu tun?

Pfeiffer Generell kann gesagt werden, dass man zum brutalen Vergewaltiger nicht geboren wird. Man wird dazu gemacht. Es gab also bestimmte Erlebnisse in seinem Leben, die zu starken Störungen geführt haben. Da er nach seiner zehnjährigen Haft gegenwärtig mit großem Polizeiaufgebot überwacht wird, ist davon auszugehen, dass ein Gutachter ihn als sehr gefährlich eingestuft hat.

Schätzungen zufolge sind es bis zu 50 Beamte, die den Täter derzeit betreuen. Gibt es eine Alternative?

Pfeiffer Ja, die gibt es. Die USA machen es uns vor. Dort wird schon seit längerem mit elektronischen Fußfesseln gearbeitet. Das bedeutet, dass der Bewachte per Sender geortet wird. Wenn sich ein Täter in einem Bereich bewegt, in dem er sich nicht aufhalten darf, dann kann das die Polizei via Bildschirm verfolgen.

Sind Fußfesseln denn sicher genug?

Pfeiffer Es gibt keine 100-prozentige Sicherheit. Wenn der Bewachte zum Beispiel die elektronische Fußfessel zerstört und zu flüchten versucht, dann hat er einen kleinen Vorsprung. Dieser Vorgang löst aber sofort bei der Polizei Alarm aus. Man wird dann alles daran setzen, ihn schnellstmöglich wieder einzufangen. So lange die Fußfessel aber intakt ist, weiß die Polizei jeweils genau über seinen Aufenthaltsort Bescheid.

Ist die Technik bald auch in Deutschland denkbar?

Pfeiffer Ja. Die elektronische Überwachungsmethode ist bei uns seit längerem in Erprobung und wird vermutlich bald bundesweit eingesetzt werden. Dadurch wird sich dann der Personalbedarf der Polizei zur Überwachung von gefährlichen Personen stark reduzieren.

Jetzt haben wir viel über Sicherheit gesprochen, kommen wir aber wieder zum Düsseldorfer Fall. Können wir überhaupt sicher sein, dass die Prognose des Gutachters zur Gefährlichkeit dieses Mannes zutrifft?

Pfeiffer Nein, keineswegs. Eine von meinem Kollegen Professor Thomas Feltes betreute Untersuchung hat kürzlich gezeigt, dass die Gutachter unter dem Druck, sich wegen der schlimmen Konsequenzen nicht irren zu dürfen, in Zweifelsfällen sehr oft die Prognose hoher Gefährlichkeit vorziehen. Feltes hatte eine große Zahl von Fällen überprüft, in denen die Staatsanwaltschaft auf der Grundlage solcher Gutachten Sicherungsverwahrung beantragt hatte, dann aber vor Gericht daran gescheitert war. In mehr als 90 Prozent der Fälle sind diese Strafentlassenen dann nicht einschlägig rückfällig geworden.

Was könnte getan werden, um die Aussagekraft von Prognosen zu verbessern?

Pfeiffer Meine Empfehlung wäre, dass in diesen Fällen zwei Gutachter aus unterschiedlichen Fachdisziplinen eingesetzt werden. Diese sollten unabhängig voneinander prüfen, wie die Gefährlichkeit des Täters zu beurteilen ist. Und wenn sie unterschiedlicher Meinung sind, muss eben ein dritter Gutachter hinzugezogen werden.

Und wie sieht es um die Therapie von Sexualtätern aus?

Pfeiffer Je früher sie eingesetzt wird, umso höher sind die Chancen, dass ein Sexualtäter erfolgreich therapiert werden kann. Aber es gibt zur Minimierung der Rückfallgefahr noch einen weiteren Weg, der in Deutschland zu wenig genutzt wird. Ich empfehle dringend, dass es in jedem Team von Bewährungshelfern einen Kollegen gibt, der eine Spezialausbildung zur Betreuung und Überwachung von haftentlassenen Sexualtätern absolviert hat. Der normale Bewährungshelfer erscheint oft überfordert, mit diesem besonderen Täter-Typ klarzukommen und für ihn Hilfe und Kontrolle zu organisieren. Auch dadurch ließe sich der Rückfall von Sexualtätern reduzieren.

Bezüglich der Rückfallgefahr – welche Botschaft haben Sie für die Düsseldorfer?

Pfeiffer Bisher ist kein einziger Fall in Deutschland bekannt geworden, in dem ein Sexualtäter nach der Haftentlassung so streng bewacht wird und dann erneut eine Sexualstraftat begangen hätte. Die Polizei leistet in diesem Bereich mit großem Aufwand hervorragende Arbeit.

Ananda Milz führte das Gespräch.

(RP)
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