Markenexperte Frank Dopheide "Coolness ist grandios überbewertet"

Düsseldorf · Frank Dopheide, Markenexperte und Chairman der Agentur "Scholz & Friends", spricht über die Attraktivität Düsseldorfs für junge Menschen und erklärt, warum eine coole Stadt warmherzig und einzigartig sein muss, um beliebt zu sein.

 „Düsseldorf hat kein Szeneviertel“: Markenexperte Frank Dopheide vor dem Café Hüftgold im vermeintlichen Kultviertel Flingern.

„Düsseldorf hat kein Szeneviertel“: Markenexperte Frank Dopheide vor dem Café Hüftgold im vermeintlichen Kultviertel Flingern.

Foto: Endermann, Andreas

Der frühere Uni-Rektor Gert Kaiser hat in seiner RP-Kolumne die Frage erörtert, ob Düsseldorf attraktiv für junge Menschen ist, und dabei die These aufgestellt, dass Düsseldorf keine coole Stadt ist. Wie sehen Sie das?

Frank Dopheide Düsseldorf ist nicht cool, und das ist ihr größter Markenwert. Denn cool ist immer das, was in der Werbesprache "edgy" ist und grenzüberschreitend und kalt bedeutet. Genauso ist Düsseldorf nicht. Die Stadt ist warmherzig und hier herrscht ein menschliches, unkompliziertes Klima über alle Bereiche hinweg.

Welche Faktoren machen eine Stadt denn zu einer "coolen" Stadt?

Dopheide Eine coole Stadt muss einzigartig und begehrenswert sein. Wenn man heute durch die Innenstädte läuft, sieht man immer die gleichen Läden. Eine Stadt, die sich ihre Identität bewahrt, wie etwa Antwerpen ist cool. Da hat man direkt Bilder im Kopf.

Berlin hat den Prenzlauer Berg — hat Düsseldorf eine Art "Szeneviertel"?

Dopheide Ich würde bezweifeln, dass zum Beispiel der Prenzlauer Berg noch ein Szeneviertel ist. Denn das ist immer nur dann noch cool, wenn es noch nicht Mainstream ist. Düsseldorf hat kein Szeneviertel, aber vor allem ein Wahrzeichenproblem. Berlin hat das Brandenburger Tor, Köln den Dom. In Düsseldorf ist es die Kö, die Altstadt, der Hafen und, und, und. Das Bild, was für mich Düsseldorf prägt, ist der Blick von Lörick über den Rhein. Der weltberühmte Strom plus die Vielfalt von Düsseldorf — vom Schlossturm bis zum Medienhafen.

Wie wichtig ist die Coolness für junge Leute bei der Wahl des Arbeitsortes?

Dopheide Für viele Menschen ist das wichtig. Wenn ich jemanden aus der Werbeindustrie von Hamburg nach Düsseldorf holen möchte, muss ich ihm 250 Euro extra Gehalt zahlen. Nach New York hingegen geht jeder auch ohne eine gute Bezahlung, weil die Stadt so eine einzigartige Marken-Strahlkraft hat. Im Alltag jedoch wird Coolness grandios überschätzt. Denn im Büro findet sie nicht statt. Und wenn ich zum Beispiel nach London wegen der Coolness gehe, blende ich aus, dass die Stadt endlos teuer, groß, gefährlich und abseits des Windsor Palasts ziemlich runtergekommen ist. Düsseldorf hingegen bietet eine echte Lebensqualität, die besonders Menschen, die sich beruflich schon die Hörner abgestoßen haben, schätzen.

Welche Vorteile haben Städte wie Hamburg und Berlin gegenüber Düsseldorf?

Dopheide Die großen Vorteile dieser Städte sind ihre Größe, ihre Geschichte — Berlin ist da nicht zu schlagen — und ihre sichtbare Internationalität. Berlin gilt zudem als kreativ, da gibt es Film, da gibt es Glamour. Damit können sich junge Menschen besser identifizieren, als mit der Kö und dem ewigen Klischee von Schickimicki.

Trotzdem durfte Düsseldorf 2011 den Eurovision Songcontest ausrichten. Zeigt das nicht, dass Düsseldorf etwas haben muss, das Berlin und Hamburg nicht haben?

Dopheide Das liegt am Düsseldorfer Image. Das steht auf drei Säulen: Leistung, Nähe und Kunst mit einem Hang zur Künstlichkeit. Und dieses Gesamtpaket hat damals einfach perfekt zum ESC gepasst. Leistung wegen des internationalen Vergleichs, Nähe, weil zusammen gefeiert wurde, und Kunst wegen der Beiträge.

Was kann die Stadtverwaltung tun, damit Düsseldorf in den kommenden Jahren cooler und attraktiver für junge Menschen wird?

Dopheide Das, was die Stadt sich mit dem ESC getraut hat, nämlich sich auf die Bühne zu stellen und sich zu präsentieren, sollte fortgeführt werden. Wir brauchen einen Markenkern, für den die Stadt steht. Und dann müssen die verschiedenen Branchen wie die Kunst mit der Kunstakademie, die auf jeden Fall weiter vorangetrieben werden muss, mit einbezogen werden. Man braucht Menschen, die für Düsseldorf stehen, Menschen aus der Wirtschaft, wie Gabriele Henkel, und Menschen aus dem Sport, wie Timo Boll. Und wir sollten nicht auf die Coolness setzen. Sondern auf die Attraktivität der Stadt, die sich durch die Warmherzigkeit der Menschen auszeichnet. Zudem müssen die Düsseldorfer lernen, stolz auf ihre Stadt zu sein. Und sich trauen, das sogar laut zu sagen.

Laura Ihme führte das Gespräch.

(lai)
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