Kolumne: Diese Woche In Düsseldorf Die U 81 erfordert Standhaftigkeit der Politiker

Düsseldorf · Projekte von Tragweite stoßen meist auf Protest. Das für viele Sinnvolle darf aber nicht den Interessen Weniger zum Opfer fallen.

Wer wissen möchte, wie Wahlkampf funktioniert, kann das am Beispiel der geplanten Stadtbahnlinie U 81 wunderbar studieren.

Da ist ein Projekt, das fast alle Kriterien erfüllt, die sonst parteiübergreifend für neue Strecken im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) gefordert werden: Die U 81 schafft eine Verbindung zwischen dem Norden der Landeshauptstadt und dem Umland. Dort wohnen viele, die in Düsseldorf arbeiten. Rund 300 000 Einpendler sind es im Schnitt pro Werktag. Die meisten kommen mit dem Auto. Nicht, weil sie gerne im Stau stehen, sondern weil der ÖPNV nicht attraktiv genug ist, um umzusteigen.

Zudem wird die U 81 die Region direkt mit dem drittgrößten Flughafen Deutschlands, mit der internationalen Messe und der Arena, wo regelmäßig große Konzerte und Fußballspiele stattfinden, verbinden. Durch den ersten Bauabschnitt, der das Streckenstück zwischen Freiligrathplatz und Flughafen-Terminal vorsieht, gibt es sogar aus den südlichen Stadtteilen Düsseldorfs über die Heinrich-Heine-Allee eine direkte Verbindung zum Airport. Ganz ohne S-Bahn und ohne Sky Train. Das Taxigewerbe muss sich wohl die meisten Sorgen machen, wenn die U 81 fertig ist.

Während es also bei der auf 3,5 Kilometer geschrumpften Wehrhahn-Linie, die derzeit in Düsseldorf gebaut wird, große Zweifel gab, ob dies ein sinnvolles Projekt ist, steht der Verkehrswert der U 81 außer Frage. So sahen es in seltener Einmütigkeit CDU, SPD, Grüne und FDP. Bis die Pläne konkreter wurden und sich die ersten Anwohner beschwerten. Das ist bei Verkehrsprojekten dieser Tragweite nicht ungewöhnlich. Schließlich will niemand, dass ausgerechnet vor seiner persönlichen Tür Schienen verlegt werden — so sinnvoll das gesamte Vorhaben auch sein mag. Diese Reaktion ist menschlich und verständlich.

Deshalb müssen die Sorgen ernst genommen werden. Das erfordert zum einen Transparenz. Denn nur wer versteht, dass es um etwas Größeres geht, von dem er auch im Kleinen profitiert, lässt sich überzeugen.

Das erfordert auch Entgegenkommen — modernster Lärmschutz etwa, auch mehr als gesetzlich vorgeschrieben, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Irgendwann muss aber die Entscheidung fallen. Und dafür sind vor allem Politiker nötig, die standfest bleiben. Weil sie das Projekt für richtig halten — egal, ob Wahlen anstehen oder nicht.

Bei der U 81 entwickelt sich zurzeit eine interessante Eigendynamik: Konkret geht es darum, dass die neue Stadtbahn für den Lückenschluss auf Düsseldorfer Stadtgebiet über eine 500 Meter lange Hochbrücke geführt werden soll. Nicht etwa über idyllische Biotope, sondern entlang einer stark befahrenen Schnellstraße (Danziger Straße, B8n), über einen extrem lauten und hässlichen Verkehrsknotenpunkt (Nordstern, A 44) zu einem Flughafen, dessen Lärm ohnehin seit Jahrzehnten vieles in dieser Gegend überlagert. Laut Experten potenziert sich Lärm nicht, wenn bei einem bereits hohen Pegel eine weitere Quelle hinzukommt.

Einige der lärmgeplagten Anwohner sorgen sich dennoch, dass es mit der Bahn auf der Brücke noch lauter wird. Sie fordern einen Tunnel. Klingt gut, hat aber einen teuren Haken: Zuschüsse von Bund und Land fließen nur, wenn die Kosten-Nutzen-Rechnung stimmt. Wenn also die Strecke von vielen Menschen genutzt wird, einen positiven Effekt auf das Verkehrsaufkommen hat (viele steigen vom Auto auf die Bahn um) — und möglichst wenig kostet.

All das wird nach einem strengen Regelwerk des Bundes in Relation gesetzt und am Ende kommt der Verkehrswert heraus, der nicht kleiner als 1,0 sein darf. Die Brückenlösung (Kosten: 154 Millionen Euro) liegt laut Rathaus bei 1,2. Bei einem Tunnel (Kosten: 184 Millionen Euro) werde am Ende ein Wert unter 1 stehen. Die Stadt müsste die Kosten also alleine tragen, statt rund 90 Millionen Euro Fördergelder zu bekommen.

Der ansässige Heimat- und Bürgerverein glaubt das nicht, macht in der Sache mobil und bringt eigene Vorschläge für einen Tunnel. Das ist absolut in Ordnung. Ob es den Anwohnern wirklich besser gefallen wird, wenn eine Tunnelbohrmaschine sich durchs Erdreich unter ihren Häusern bohrt, ist eine andere Frage.

Als Nächstes zeigt sich die zuständige Bezirksvertretung, eine Art Stadtteilrat, parteiübergreifend einig — stimmt gegen die Brücke und die Meinung der eigenen Verkehrsexperten in den Fraktionen im Rathaus. Die stehen nach wie vor hinter dem Projekt, weil sie wissen, wie wichtig es für die Stadt und die Region ist. Und jetzt kommt's: Bundestagskandidaten zeigen plötzlich Skepsis, denn hey, in wenigen Wochen ist Wahl. Nach und nach fallen auch immer mehr jener Ratsleute um, die ihren Wahlkreis dort haben, wo sich gerade die Anwohner sorgen. Macht man nicht unter Parteifreunden? Doch: Nächstes Jahr ist Kommunalwahl!

Und weil immer irgendwo gleich oder bald oder demnächst eine Wahl ansteht, steht es schlecht um große Verkehrsprojekte. Mögen Sie noch so sinnvoll sein. Das ist widersinnig und hat mit dem Gestaltungsauftrag, den der Bürger den Politikern mit der Wahl gibt, nichts zu tun.

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(RP)
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