Interview mit Daniel Libeskind "Düsseldorf ist offen für Neues"

Düsseldorf · Der New Yorker Architekt Daniel Libeskind, der lange in Berlin lebte, genießt Weltruf: Der 62-Jährige entwarf das Jüdische Museum in der Bundeshauptstadt, siegte mit seinem Entwurf für "Ground Zero" in New York und ist jetzt - neben Jürgen Mayer H. - im Wettbewerb um den Kö-Bogen.

Daniel Libeskind kam nach Düsseldorf.

Daniel Libeskind kam nach Düsseldorf.

Foto: ddp

Herr Libeskind, schön, dass Sie sich am Wettbewerb für den Kö-Bogen beteiligen. Was reizt Sie an dem Projekt?

Libeskind Düsseldorf ist eine elegante, weltoffene Stadt, die ich gut kenne und sehr schätze. Der Kö-Bogen ist für Düsseldorf ein Projekt von außerordentlicher Reichweite. Es bietet sich die einzigartige Möglichkeit, die Königsallee wieder an den Hofgarten anzubinden und einen völlig neuen Stadtraum für die Fußgänger zu erschließen. Mich reizt darüber hinaus die Komplexität der Aufgabe: Einerseits der Umgang mit der historischen Stadtstruktur, andererseits der Dialog mit den Zeugen der Moderne, dem Thyssen-Hochhaus und der Oper. Der Ort verlangt eine unverwechselbare Architektur, die ihr Umfeld prägt und sich mit den besten Bauten der Stadt messen kann.

Es handelt sich, wie Sie bereits sagten, um einen sensiblen Bereich im Herzen der Stadt. Was ist Ihre architektonische Lösung?

Libeskind Ich habe angestrebt, die verschiedenen historischen und maßstäblichen Ebenen des Ortes in Einklang zu bringen und dabei ein zeitgemäßes Gebäude zu schaffen, ein Gebäude, in dem die Geschichte des Ortes gleichwohl ablesbar wird. Bitte haben Sie Verständnis, dass ich auf meinem Entwurf selbst hier nicht eingehen kann.

Welchen Eindruck hatten Sie bei Ihren Besuchen von Düsseldorf?

Libeskind Ich habe 15 Jahre lang in Deutschland gelebt und gearbeitet. In Düsseldorf habe ich mehrfach Vorlesungen gehalten und Verwandte besucht. Düsseldorf ist eine lebendige, kosmopolitische Stadt, auf hohem wirtschaftlichem und kulturellem Niveau. Hinsichtlich neuer städtebaulicher und architektonischer Projekte existiert ein ausgeprägtes Bewusstsein für die Qualität des Vorhandenen, aber auch die Offenheit für Neues, etwa am Düsseldorfer Hafen.

Wie wichtig ist Ihnen das Zusammenspiel mit der Umgebung?

Libeskind Alle meine Projekte sind aus der Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Ort, seiner Geschichte und seiner Umgebung entwickelt — denken Sie an das Jüdische Museum Berlin oder das Felix-Nussbaum-Haus in Osnabrück, aber auch an meine Projekte in Toronto und Denver. Nur ein Gebäude, das spezifisch für einen Ort entworfen wurde, wird sich auf lange Sicht bewähren.

Finden Sie für jedes Projekt individuelle Lösungen oder ist Ihnen wichtiger, dass Ihr besonderer Stil unverkennbar bleibt?

Libeskind Selbstverständlich trägt jedes Projekt meine Handschrift, weil ich es persönlich entwerfe und bis in die Detailplanung begleite. Aber ich bin kein Stilist. Jedes Projekt verlangt nach einer individuellen Lösung.

Ihre Architektur ist experimentell und alles andere als gefällig. Wie viel Außergewöhnliches kann man Bürgern eigentlich zumuten?

Libeskind Ich habe festgestellt, dass der einfache Bürger neuer Architektur gegenüber oft aufgeschlossener ist als die Fachwelt. Viele meiner Gebäude — das Denver Art Museum, der Glashof im Jüdischen Museum Berlin oder das kürzlich eröffnete Einkaufszentrum Westside bei Bern — waren auf Anhieb erfolgreich, mit unerwartet hohen Besucherzahlen.

Und wo sind die Grenzen?

Libeskind Die Menschen können sehr wohl zwischen gut gemachter Architektur und kurzlebigem Effekt unterscheiden. Es geht darum, erinnerungswürdige Orte zu schaffen und Gebäude, die über ihre Zeit hinaus Bestand haben.

Muss oder darf ein Architekt überhaupt Kompromisse eingehen?

Libeskind Selbstverständlich. Kompromisse haben für mich keine negative Konnotation, sondern sind Teil des kreativen Prozesses, indem sie gute Ideen Anderer einbinden. Ein Entwurf, der sich nicht entwickelt, ist nichts als eine akademische Übung.

Von Ihnen entworfene Gebäude stehen auf der ganzen Welt — mit meist sehr typischen Merkmalen: asymmetrisch, mit aufgebrochenen Fassaden, extrem spitzen Winkeln. Oft aus Glas und Stahl. Können die Düsseldorfer mit etwas Ähnlichem rechnen?

Libeskind Ich bin keineswegs auf Stilmerkmale und Materialien festgelegt: Mein Projekt Westside bei Bern hat eine Holzfassade. Für Jerusalem habe ich eine Natursteinfassade entworfen. Die Wohnsiedlungen, die ich für Korea und Singapur entwickelt habe, basieren auf Kurven-Geometrien. Für Düsseldorf habe ich wiederum sehr spezifisch auf den Ort und seine Geschichte reagiert.

Ihr Mitbewerber, Jürgen Mayer H., ist ein relativ junger, aber dafür aufstrebender Architekt. Fach-Magazine sind voll des Lobes. Kann Ihnen so eine Konkurrenz Angst machen?

Libeskind Keineswegs.

Wenn Sie sich einen Platz wünschen könnten, den Sie mit Ihrer Architektur füllen dürften — welcher wäre das?

Libeskind Mekka. Die Kaaba ist eines meiner Lieblingsgebäude. Zur Zeit Mohammeds war Mekka ein multikulturelles Zentrum, in dem viele Religionen an einem Ort koexistierten. Ich würde mir wünschen, mit meiner Architektur zwischen Kulturen und Religionen zu vermitteln sowie die spirituelle Verbundenheit zwischen den Menschen zu stärken.

Und was sind Ihrer Ansicht nach die Herausforderungen an die Stadtplanung der Zukunft?

Libeskind Stadtplanung muss eine Verbindung zu den tieferen Erinnerungsschichten der Stadt schaffen. Sie muss den Menschen in den Mittelpunkt stellen und Bezug nehmen auf die natürlichen Ressourcen. Die größte Herausforderung aber ist es, die Stadt nicht auf bloßem technischem Know-how zu gründen, sondern auf der schöpferischen Kommunikation von Menschen.

(RP)
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