Düsseldorf Er bringt den Tausendfüßler zu Fall

Düsseldorf · Wenn ab Ende Februar die Hochstraße stückweise abgetragen wird, ist ein Mann immer dabei: Ingo Pähler.

 Ingo Pähler koordiniert im Rathaus den Abriss der Hochstraße. Die Stelle, an der er steht, gehört zu den sensibelsten beim Abbruch.

Ingo Pähler koordiniert im Rathaus den Abriss der Hochstraße. Die Stelle, an der er steht, gehört zu den sensibelsten beim Abbruch.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Eigentlich ist seine Berufsbezeichnung irreführend: Abteilungsleiter Brücken-, Tunnel- und Stadtbahnbau steht auf der Visitenkarte von Ingo Pähler. Dabei gehört auch der Abriss zu seinem Alltag.

Alleine in den vergangenen sechs Jahren war er federführend beim Abbruch von vier Brücken. Die letzte war die Brücke, die vom Heerdter Dreieck zum Rheinalleetunnel führt. Doch die wurde durch eine neue ersetzt. Das ist beim anstehenden Abriss des Tausendfüßlers anders: Die denkmalgeschützte Hochstraße inmitten der Düsseldorfer Innenstadt wird ersatzlos abgetragen. Zumindest oberirdisch. Der Autoverkehr soll später durch einen Tunnel fließen.

Bis dahin werden aber noch zweieinhalb Jahre vergehen, in denen jeder Schritt sitzen muss, damit der Verkehr im Zentrum nicht komplett kollabiert und der komplizierte Abbruch reibungslos verläuft.

Den Antrag für den Abriss bei der Unteren Denkmalschutzbehörde hat Ingo Pähler unterschrieben — und seitdem viele Höhen und Tiefen erlebt: Die Bedenken des damaligen Landeskonservators, der den Tausendfüßler als unbedingt erhaltenswertes Denkmal sah, sich auch vom Gutachten im Auftrag der Stadt nicht überzeugen ließ, dass die Hochstraße stark sanierungsbedürftig und ihr Charakter als Denkmal nicht zu erhalten sei, und der schließlich in dem Streit mit der Stadt einen Ministerentscheid einleitete.

Bauminister Harry Voigtsberger beauftragte weitere Gutachter, den Zustand der Hochstraße zu untersuchen. Sie kamen zum selben Ergebnis wie die der Stadt.

Darüber war auch Pähler erleichtert und sah sich in seiner eigenen Einschätzung bestätigt: "Wir hätten an dem Tausendfüßler nicht mehr viel Spaß gehabt." Selbst nach einer Sanierung — Kosten zehn bis 15 Millionen Euro — sei dieses Brückenbauwerk aus Spannbeton wegen der Dauerlast des Verkehrs höchstens 30 Jahre zu halten gewesen. "Bauwerke sind kein Selbstzweck, sie haben dem Menschen immer noch zu dienen", ist Pähler überzeugt.

Deshalb freut sich der zweifache Familienvater, der viele Jahre für die Firma Holzmann Anlagenbau im Ausland war, bevor er 2002 bei der Stadt Düsseldorf anfing, auf den Abriss der Hochstraße. Der beginnt nach derzeitigem Stand am 25. Februar mit Vorarbeiten und soll Mitte April beendet sein. Der Abbruch erfolgt vor allem an den Wochenenden und ist bereits im Detail festgelegt:

25. Februar Die Hochstraße wird gesperrt, der Autoverkehr, der sonst über den Tausendfüßler rollte, wird umgeleitet. Die Baustelle wird vorbereitet, einiges von dem Material, aus dem die Hochstraße erbaut wurde, wird separiert und entsorgt. Dazu gehören der Asphalt, die Geländer und astbesthaltigen Entwässerungsleitungen. Der eigentliche Abriss — oder besser gesagt das Abtragen in einzelnen Stücken — beginnt drei Wochen später.

16. bis 19. März Zwei Stücke werden abgetragen: Der Teil zwischen der Auffahrtrampe an der Hofgartenstraße und der Süd-Kante der Libeskind-Bauten sowie der Teil von der Spreizung der Hochstraße bis zur Abfahrtsrampe an der Immermannstraße.

23. bis 25. März Das Stück südlich der Spreizung bis zur Rampe an der Berliner Allee wird abgerissen.

18. bis 29. März Bei laufendem Verkehr (Richtung Norden sowie in und aus der Immermannstraße) werden die drei Auffahrt- und Abfahrtrampen abgebrochen.

30. März bis 1. April (wegen der Osterfeiertage möglicherweise auch eine Woche früher) Der Abriss kommt in seine sensible Phase, es geht um das verbliebene Mittelteil, das nah an den benachbarten Gebäuden ist. Los geht es von der Süd-Kante der Libeskind-Häuser bis zum nächsten Häuserblock (H & M, Bürobedarf Hennig). Weil dort die Rheinbahn-Linien in Richtung Altstadt/Wehrhahn kreuzen, ist die Vorbereitung besonders aufwendig. Fahrleitungen müssen verlegt werden, die Gleise werden abgedeckt, ein "Fallbett" soll die Erschütterungen der Abbruchstücke abdämpfen. Der Bahnverkehr wird für einige Stunden komplett gekappt. Schienenersatzverkehr ist geplant.

6. bis 10. April Das Stück des Tausendfüßlers vom H & M-Gebäude über die Fußgängerzone bis zur Mitte von P & C ist an der Reihe. Es wird mit Bandsägen in einzelne Teile zersägt. Dafür wird ein fahrbarer Stützturm unter das Straßenstück gefahren, das abgesägt wird. Ein Kran hebt das Abgesägte dann auf einen Tieflader. Wie viele Einzelstücke abgesägt werden, steht laut Pähler noch nicht im Detail fest.

13. bis 15. April Als letztes Teil wird die Spreizung der Hochstraße, in der Fachsprache Trompete genannt, mit einem Bagger abgetragen. Eine Woche ist für Nacharbeiten angesetzt.

Die tief liegenden Fundamente des Tausendfüßlers entfernt später der Unternehmer, der auch den Tunnel baut. Das Vergabeverfahren dafür läuft derzeit noch. Die Vergabe soll im Spätsommer erfolgen. Der Autoverkehr in Richtung Norden (Berliner Allee zur Kaiserstraße) soll laut Pähler die ganze Zeit über aufrechterhalten bleiben. In Richtung Süden (von Kaiserstraße zur Berliner Allee) wird nach Ende der Abrissarbeiten eine Fahrspur angelegt. Auch dort, wo seit langem keine Autos fahren — zwischen Tuchtinsel und P & C. Erst wenn der Tunnel, der den Tausendfüßler ersetzt, 2015 in Betrieb geht, wird diese Verkehrsführung aufgehoben.

Pählers Kinder, eine Tochter und ein Sohn, sind dann zwölf und zehn Jahre alt. Und sie sind vermutlich stolz, wenn sie mit ihrem Vater, die Baumallee, die dort entstehen soll, entlang flanieren. "Ich sehe gern, wenn etwas wächst", sagt der 48-Jährige und lächelt.

(RP/ila/jco)
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