Bildungsforscher kritisiert G8 "G8 ist nicht für alle Schüler geeignet“

Düsseldorf · Die Verkürzung der Schulzeit wird hochgelobt oder scharf kritisiert. Heiner Barz, Professor für Bildungsforschung an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, hält G8 für eine Fehlkonstruktion. "Ich hielte etwas von G8, wenn es eine freiwillige Option wäre. Abhängig davon, ob Schüler ein besonders schnelles oder eher ein langsameres Lerntempo haben", so Barz.

Die Verantwortlichen hätten versäumt, den Stoff auf wesentliche Inhalte zu reduzieren. Stattdessen sei der Stoff nur komprimiert worden.Dies sei für die Schüler mit einem hohen zeitlichen Aufwand verbunden. Es bleibe immer weniger Zeit für die Freizeitgestaltung, AGs und musische Fächer.

Für Barz ist es vor allem problematisch, dass innovative Methoden, zum Beispiel das selbstständige Arbeiten und Lernen der Schüler zurückgedrängt werden. Und damit genau das, was in den letzten Jahren an Neuerungen das Schulsystem positiv verändert hat. Die Vielfalt der Lehrmethoden leide, Frontalunterricht sei häufig das Mittel der Wahl, um den vielen Stoff zu vermitteln. Solche Faktoren wirkten hemmend auf die Persönlichkeitsbildung, für die wichtig sei, dass junge Menschen Selbstständigkeit lernen. Indem sie Hobbys und Vorlieben nachgingen, zeichneten sich mit der Zeit ihre Stärken und Schwächen ab. "Dieser Reifungsprozess braucht Zeit und lässt sich eben nicht künstlich verkürzen", sagt Barz.

Das Argument, dass manche Schüler mit 16 schon in die Ausbildung starten, lässt sich nach Einschätzung des Erziehungswissenschaftlers nicht so einfach auf das Studium übertragen. "Es zeichnet sich durch hohe Eigenverantwortlichkeit aus, die Studenten werden dort eher alleingelassen", so Barz. Sie müssten ihre Stundenpläne selbstständig zusammenstellen und ihre Zeit verwalten, um Hobbys, Studium und Nebenjobs zu organisieren. In einer Ausbildung würden die jungen Menschen dagegen engmaschiger betreut. Die Strukturen seien fast familiär. Außerdem stellen Unternehmen, Barz' Erfahrung nach, lieber gereifte Persönlichkeiten ein als Jugendliche, die noch in der Pubertät stecken.

Über die konkreten Auswirkungen der reduzierten Schulzeit können Forscher bislang nur spekulieren. Studien zu diesem eigentlich wichtigen Thema fehlen bisher.

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