BGH hob Urteil auf Krahestraße: War es doch Mord?

Düsseldorf · Gestern hob der Bundesgerichtshof das zweite Urteil gegen Hausbesitzer Heinz Nieder auf. Der 48-Jährige war wegen "Herbeiführung einer Explosion" an der Krahestraße in Düsseldorf, bei der sechs Mieter starben, verurteilt worden. Nun rollt das Landgericht Duisburg den Fall neu auf.

 Das eingestürzte Haus.

Das eingestürzte Haus.

Foto: AP

Karlsruhe/Düsseldorf Den Helfern bot sich damals ein verheerendes Bild. Bis auf die Grundmauern war das Mehrfamilienhaus an der Krahestraße 8 in Düsseldorf eingestürzt. Unter den Trümmern: acht Mieter. Sechs von ihnen tot, zwei schwer verletzt. Das war 1997. Nun muss der Prozess gegen Hausbesitzer Heinz Nieder ein drittes Mal aufgerollt werden. Das hat gestern der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschieden. In zwei Prozessen war es dem Düsseldorfer Landgericht nicht gelungen, ein rechtlich einwandfreies Urteil zu sprechen. Nun landet der spektakuläre Fall um die gewaltsamen Methoden des 48-jährigen Hausbesitzers vor dem Landgericht in Duisburg.

Der 3. Strafsenat in Karlsruhe, der bereits eine erste Verurteilung von Nieder zu lebenslanger Haft lediglich wegen eines Formfehlers aufgehoben hatte, übte bei der neuerlichen Prüfung des Falles harte Kritik auch am zweiten Düsseldorfer Urteil. Im Mai 2006 hatte das dortige Schwurgericht nämlich den Angeklagten lediglich wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion zu 13 Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Eine Bestrafung wegen Mordes hatten die Landrichter klar abgelehnt. Aus ihrer Sicht habe Nieder das Ausmaß der Zerstörung so nicht beabsichtigt, sei vielmehr vom Tod der Mieter völlig überrascht worden. Dieses Urteil sei, so die Karlsruher Richter, schlicht fehlerhaft.

Senatsvorsitzender Klaus Tolksdorf sagte in der Urteilsbegründung: Wer in einem Mietshaus durch nächtliches Aufdrehen einer Gasleitung angeblich nur eine Verpuffung erzeugen wolle, der handele womöglich mit bedingtem Tötungsvorsatz. Das sei zwar "schlecht vorstellbar", doch statt ihr eigenes Urteil zu fällen, gaben die Karlsruher Richter die Prüfung dieser Frage jetzt an die Duisburger Landgerichts-Kollegen weiter.

Rückblende: Im Zusammenwirken mit einem 50-jährigen Komplizen hatte sich Nieder laut Geständnis im Sommer 1997 entschlossen, die Mieter in seinem Mehrparteien-Wohnhaus an der Krahestraße 8 gezielt zum Auszug zu bewegen. Er habe das Objekt sanieren und verkaufen wollen. Der (geständige und wegen sechsfachen Mordes inzwischen zu lebenslanger Haft verurteilte) Komplize habe einen anfangs nur gelockerten Gasstopfen im Hauskeller dann aber in der Tatnacht eigenständig abgedreht, die Katastrophe dadurch ausgelöst. Das sagte Nieder im zweiten Prozess vor dem Landgericht aus. Kurz davor war er nach achteinhalb Jahren U-Haft trotz dringendem Tatverdacht sogar freigekommen. Das Bundesverfassungsgericht befand im Dezember 2005 nämlich: Schafft es ein Staat nicht, nach mehr als acht Jahren ein rechtskräftiges Urteil vorzulegen, müsse auch ein Mordverdächtiger wegen überlanger U-Haft freigelassen werden.

Das Düsseldorfer Landgericht hat aber auch im zweiten Urteil gegen Nieder nicht zu einer tragfähigen Entscheidung gefunden. Sowohl die Staatsanwaltschaft, die stets auf einer Mordverurteilung bestanden hat, als auch die meisten der Opfer-Anwälte haben kein gutes Haar an diesem milden Richterspruch gelassen. Und sie bekamen gestern vom Bundesgerichtshof Rückendeckung. Demnach habe das Düsseldorfer Gericht zwar richtig festgestellt, dass Nieder vom hochexplosiven Umgang mit Gas in dem Mietshaus gewusst habe, doch habe das Landgericht daraus die völlig falschen Schlüsse gezogen.

Für Heinz Nieder, der seit der Aufhebung des Haftbefehls auf freiem Fuß ist, ändert sich zunächst nichts. Es wird Monate dauern, bis das Landgericht Duisburg den neuen, jetzt dritten Krahestraßen-Prozess startet. Dann wird es auch darum gehen, ob und welche Mordmerkmale Heinz Nieder anzulasten sind. In seinem gestrigen Urteil betonte der Gerichtshof auch, dass dieses Hickhack im Verfahren "kein Ruhmesblatt für die Justiz" sei.

(RP)
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