Düsseldorf Ein Fest für die Kunst verdichteter Sprache

Düsseldorf · Bekannte Lyriker wie Elke Erb und Michael Lentz begeisterten das Publikum beim Poesiefest im Heine Haus.

 Der Autor, Dichter und Lautschmieder Michael Lentz beim Poesiefest im Heine Haus.

Der Autor, Dichter und Lautschmieder Michael Lentz beim Poesiefest im Heine Haus.

Foto: Endermann

Doch, es gibt sie: Autoren, die Sprache verdichten, Worte und Sinn beleuchten, befragen, reflektieren. Dichter, die ihre Texte nicht nur, aber auch für die berüchtigte Schublade produzieren, weil zeitgenössische Lyrik als schwer zugänglich gilt (es oft auch ist) und sich nur schwer verkaufen lässt; die Sprache nicht nur benutzen wollen, sondern sich mit ihr auseinandersetzen.

Diese andere, die verdichtete, reflektierte Sprache bekam in Düsseldorf auch in diesem Jahr wieder Raum beim Poesiefest im Heine-Haus. Auf der Einladungsliste der Buchhandlung Müller & Böhm stand mit Elke Erb eine der profiliertesten deutschen Dichterinnen. Die 75-Jährige stellte Texte aus ihrem jüngsten Band vor, der anlässlich der Verleihung des Ernst Jandl-Preises 2013 veröffentlicht wurde: "Das Hündle kam weiter auf drein". Es sind, wie meist bei Erb, kurze Texte, die sich aber dem schnellen Lesen versperren, die bedacht sein wollen, sich weiter entziehen und doch etwas über Sprache zeigen wie in "Sitzplatz": "Komme an den Bhf erkenne plötzlich / eine (broschenförmige) Ähnlichkeit meines Hingehens / zu diesem Nichts, einem Bhf". Erb hat als Übersetzerin der russischen Dichter Alexander Blok, Marina Zwetajewa und Ossip Mandelstam begonnen.

Die Lyriktradition insgesamt reicht Jahrhunderte zurück, und es wird weiterhin — auch wenn Dichten kein lukratives Geschäftsmodell ist — geschrieben, und das mehr und vielfältiger denn je: Innerhalb der anerkannten Lyrikszene und auch jenseits von ihr suchen Autoren nach ihren eigenen Sprachwegen.

Diesen Hintergrund denkt André Rudolph in seinen Texten immer mit. In Düsseldorf stellte er seinen zweiten Gedichtband "Confessional Poetry" vor. In "On the Roof" sitzen zwei Freunde frühmorgens auf einem Dach und lauschen einer Amsel, die "klackerte mit ihren pfennigabsätzen": "gedichte über amseln haben ja / den vorteil, dass sie schwarz sind und / von den rändern her singen, / das problem bei diesen vögeln ist nur, / dass sie es einem nicht leicht machen / das thema zu wechseln, wenn sie / einmal aufgetaucht sind".

Der Österreicher Peter Waterhouse stellte unveröffentlichte Texte vor, in denen die Worte aus ihrem üblichen Bedeutungszusammenhang gelöst sind: "Ein Wagen fährt durch Krähenschreie. Wir hören die Sonne, und die Sonne hat mein Gesicht". Ulf Stolterfoht arbeitet noch radikaler mit Sprache: "nicht-wahrnehmung einer gedichtchance. vielmehr gedicht- / begleitende maßnahme 'wie aus einem fleisch (guß wird)'. / das weiß man vorlaut ganz genau — nur leider so wie die / kuhhaut über wissen verfügt..."

Michael Lentz, Ingeborg Bachmann-Preisträger von 2001, lässt Sprache am liebsten Klang werden wie in dem Text "Aristoteles ist tele-tot. Ein quasi anagrammatisches abcdarium mit vielen unbekannten": "aristoteles tele tot, toter / barlach lach, ach / celan elan an / dante: andante ante / elliot eilt oel: olle tolle Tolle o / fallada fall fad da..." Ein Höhepunkt des Lyrikfestes war die Poesieperformance mit Dichtung und Klaviermusik. Die Autorin Yoko Tawada und die Musikerin Aki Takase dramatisierten Sprache, setzten sie in Szene, kamen problemlos von Akzenten und Grammatikregeln zur Borniertheit von Muttersprachlern und der Ausgrenzung von Menschen, die aus fremden Kulturkreisen stammen. Sie feierten die Sprache, wie auch die anderen Dichter auf der Bühne des Poesiefestes, indem sie sie auseinandernahmen und auf eigene, nachdenkenswerte Weise wieder zusammenfügten.

(RP)
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