Deutschland-Premiere von "Bastard" in Düsseldorf Martina Gedeck als kinderscheue Kriminalpsychologin

Düsseldorf · In "Bastard" spielt Martina Gedeck eine kinderscheue Kriminalpsychologin. Bei der Deutschland-Premiere in Düsseldorf stellte sie den Spielfilm vor, in dem ein verzweifelter Junge sein Recht auf Mutterliebe mit einem Verbrechen einfordert.

Martina Gedeck feiert Premiere mit "Bastard" in Düsseldorf
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Martina Gedeck feiert Premiere mit "Bastard" in Düsseldorf

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Ein Kind ist spurlos verschwunden. Nikolas, neun Jahre alt. Seine Eltern kommen fast um vor Sorge. Die Zuschauer jedoch wissen bereits mehr. Sie haben gesehen, wie das Kind entführt, in einen Keller eingesperrt und in Ketten gelegt wird. Sehr bald schon kennen sie auch seinen jugendlichen Peiniger, der ein perfides Katz- und Maus-Spiel anzettelt.

Es sind schockierende Szenen, mit denen "Bastard" beginnt. Der erste Spielfilm von Carsten Unger feierte am Montag seine Deutschland-Premiere in Düsseldorf. Vor dem Cinema in der Altstadt hofften viele bis zum Schluss auf eine Karte im übervollen Kino. Angereist war neben dem Produktions-Team auch die Riege der Hauptdarsteller: Martina Gedeck, als Kriminalpsychologin in einer gewohnt feinfühligen Rolle, Markus Krojer und Antonia Lingemann als eiskalte Rächer — zwei verlorene Seelen auf der verzweifelten Suche nach Geborgenheit.

Rund zweieinviertel Stunden dauert der Höllentrip in menschliche Abgründe. Man friert, man leidet, man ist tief berührt und möchte weinen. Meisterhaft ist auch die Kameraführung: Aus ungewöhnlichen Perspektiven gefilmte Bilder, oftmals grell ausgeleuchtet, verstärken die fesselnde Wirkung des Films. Die Konzentration der Zuschauer und die Spannung halten Schritt.

Nach dem erschütternden Ende von "Bastard" wird es ganz still. Dann brandet Beifall auf für die sensible Regie und die durchweg beeindruckenden Darsteller. Regisseur und Autor Carsten Unger schart die Schauspieler auf der Bühne um sich: "Ihr habt diesem Film seine Seele eingehaucht!"

Er bedankt sich bei der Filmstiftung, die das Projekt förderte und erzählt von seiner Inspiration, sich diesem beklemmenden Thema zu nähern: "Ich hatte das verstörende Bild eines Kindes im Kopf, das einer Spinne die Beine ausreißt. Das hab ich selber auch mal getan, als ich klein war. Wie aber kommt das Böse in uns? Und wer ist schuld, wenn ein Kind ein Verbrechen begeht? Diesen Fragen wollte ich nachspüren."

Martina Gedeck fühlte sich sofort vom Drehbuch angesprochen. "Für mich war es das erste Mal, dass in dieser Direktheit, Genauigkeit und Vielfalt das Thema Kind durchdekliniert wurde. Die beiden, die Nikolas gefangen halten und seine Eltern quälen, sind ja nicht nur böse", verteidigt sie die Jugendlichen. "Man erkennt ihre Sehnsüchte und ihre Einsamkeit."

Eigentlich seien auch die Erwachsenen in "Bastard" allesamt vereinsamt, fügt sie hinzu, "ich hab mich ja selber gefühlt wie ein verlassenes Kind." Dabei glaubt ihre Figur an Wahrheitsfindung, hat eine dem Leben zugewandte Haltung, zeigt nach außen hin Stärke.

Die erfahrene Kriminalpsychologin Claudia Meinert soll den verstockten Entführer zum Sprechen bringen und damit das eingekerkerte Kind retten, bevor es verdurstet. Gewiss verfügt sie über die richtigen Methoden. Am Psychoterror dieses zynischen Täters aber droht sie zu scheitern.

Das abgebrühte Spiel von Markus Krojer, bekannt aus "Wer früher stirbt, ist länger tot", geht unter die Haut. Ihm ebenbürtig ist die Kölnerin Antonia Lingemann in ihrer ersten großen Rolle als biestige und verletzliche Lolita. Die beiden inzwischen 16-Jährigen wirken auf der Kino-Bühne viel erwachsener und gereifter als im Film.

Kein Wunder, "Bastard" wurde 2010 gedreht und 2011 bei den "Hofer Filmtagen" uraufgeführt. Mit Schauspielern wie Sibylle Canonica, Hanns Zischler und Thomas Thieme sind alle tragenden Rollen überzeugend besetzt. Sehr stark und intensiv ist Beate Maes als Mutter des Entführten, die so schwer trägt an ihrer eigenen Schuld. Ihr bleibt nichts übrig, als sich dem Willen des Monsters zu fügen. Lange hockt sie unter der Dusche, als erflehe sie Reinigung von ihren Sünden.

Das Wasser-Motiv taucht häufig auf. Im Schwimmbad, in der Natur, wo es Sturzbäche regnet und in der Kirche, wo es dem Täufling übers Köpfchen rieselt. Warum er diese Szene gedreht habe, will eine Zuschauerin vom Regisseur wissen. "Ich wurde auch getauft und kann meiner Vergangenheit nicht entfliehen", antwortet Carsten Unger. "Eine Taufe ist ein archaischer Moment. Ein Kind bekommt einen Namen."

Genau darum geht es auch in diesem Film, an dessen Ende jemand stirbt. "Wenn man eine solche Geschichte erzählt, kommt man daran nicht vorbei", sagt Unger. "Auch wenn ich lange nicht wusste, wer es sein würde, war es unausweichlich."

(EW/jco/EW)
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