Umstrittener Auftritt in Düsseldorf Roger Waters sucht nach Anstand

Düsseldorf · Schon im Vorfeld hatte der in Düsseldorf geplante Auftritt von Roger Waters für Aufsehen gesorgt. Die Jüdische Gemeinde rief wegen eines aufblasbaren Schweins mit Davidstern zum Boykott des Konzerts auf. Der 70-Jährige tritt heute auf – mit dem umstrittenen Schwein.

Schon im Vorfeld hatte der in Düsseldorf geplante Auftritt von Roger Waters für Aufsehen gesorgt. Die Jüdische Gemeinde rief wegen eines aufblasbaren Schweins mit Davidstern zum Boykott des Konzerts auf. Der 70-Jährige tritt heute auf — mit dem umstrittenen Schwein.

Es gibt einen Ausdruck für Menschen, die unbelehrbar sind und launisch, sich nichts sagen lassen möchten, sondern auf Kritik mit Zynismus reagieren. "Den kann man mit der Kneifzange nicht anfassen", sagt man dann. Roger Waters ist so ein Mensch.

Der Mitbegründer der britischen Band Pink Floyd feiert heute seinen 70. Geburtstag, und falls ihm der Himmel zu diesem Anlass nicht noch Einsicht und Erleuchtung schenkt, wird er am Abend dieses unsägliche Schwein in der Esprit Arena tatsächlich aufsteigen lassen. Es ist aus Kunststoff und gehört zum Bühneninventar seiner Show "The Wall". Darauf sind Hammer und Sichel zu sehen, das Shell-Logo sowie — ein Davidstern.

Seit 2010 tourt Waters enorm erfolgreich mit dem hässlichen Tier, in diesem Jahr erst wurden viele darauf aufmerksam, machten ihre Empörung öffentlich und protestierten heftig. Waters kommentierte die Vorwürfe mit Sarkasmus. Am Mittwoch trat er in Berlin auf, im Olympiastadion hatte er das Plastiktier wieder dabei, und auch dass das Konzert am Vorabend des jüdischen Neujahrsfestes Rosch ha-Schana stattfand, ließ Waters nicht einlenken.

Einst Genie, heute Ekelpaket

Die Jüdische Gemeinde Düsseldorf hatte wegen der geschmacklosen Verbindung von Davidstern und Schwein bereits vor Tagen zum Boykott des Konzerts in der Esprit Arena aufgerufen. "Roger Waters ist ein geistiger Brandstifter, für den es in unserer Stadt kein Forum geben darf", erklärte Gemeinde-Verwaltungsdirektor Michael Szentei-Heise. Es dürfte wenig nützen, fast 38.000 Menschen werden das Spektakel erleben. Immerhin wissen die meisten von ihnen, dass Waters zwar ein Genie war, heute aber ein Ekelpaket ist.

Früher schrieb er die schönen Texte von "Dark Side Of The Moon", da komponierte er mit den Kollegen, vor allem mit David Gilmour, die wunderbare Musik von "Wish You Were Here". Aber Mitte der 70er Jahre begann er Pink Floyd zur Diktatur umzubauen — er der Herrscher, die anderen die Untergebenen. 1977 spuckte er in Montreal einem Fan ins Gesicht. Im Jahr darauf legte er seiner längst von ihm entfremdeten Band zwei Konzepte vor, sie solle sich eines aussuchen, das werde veröffentlicht, und obwohl sie beide schlecht fand, entschied man sich für "The Wall".

Er tritt in seine eigenen Fußstapfen

Unter Waters' "dämonischer Kontrolle", wie Illustrator Gerald Scarfe schrieb, entstand ein Album von eherner Schwere, eine Rockoper über einen traumatisierten Jungen, der sich in faschistische Phantasien steigert. Es ist Waters' eigene Geschichte, und wenn er sie nun abermals zur Aufführung bringt, tritt er alleine in seine eigenen Fußstapfen. Es kann einsam sein auf dem Rock-Olymp.

Das Album "The Wall" verkaufte sich mehr als 25 Millionen Mal. Allein durch Ticketverkäufe hat Waters mit "The Wall" über 400 Millionen Dollar eingenommen. Die Menschen kommen aus nostalgischen Gründen, nicht aus politischen. Sie wollen sich beeindrucken, nicht agitieren lassen. Es würde der Show nichts an Wirkung nehmen, wenn Waters auf das Schwein oder seine Beschriftung verzichtete. "Meine Konzerte sind Luxus, wie meine Rolex", sagte er bei der Pressekonferenz vor der Tournee. Zwischen ihm und dem, was man Anstand nennt, steht eine Mauer.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort