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Ausstellung im KIT Tatlin-Turm aus Handys

Düsseldorf · Die jüngste der beteiligten Künstlerinnen und Künstler ist erst 17 Jahre alt: Eine Ausstellung im KIT zeigt, wie russische Installationskünstler, Objektemacher und Fotografen auf das Russland von heute reagieren.

Als die Sowjetunion bereits schwächelte und ihr Untergang sich abzuzeichnen begann, blickte der Westen gebannt auf eine neue Kunst aus dem Osten: die "Soz-Art". Sie bediente sich der staatlichen Symbole und verbog Hammer und Sichel im Stil der Pop-Art zu einem ironischen Endspiel. Lange dauerte es, bis sich russische Künstler auch jenseits der Pop-Art in die Grundlagen der westlichen Moderne vertieft und zudem ihre eigene, lange Zeit vom Regime zugedeckte Kunst des beginnenden 20. Jahrhunderts entdeckt hatten.

Eine Ausstellung im KIT — Kunst im Tunnel — an der Düsseldorfer Rheinpromenade lässt erkennen, wie sehr sich die russische Kunst geändert hat. Sex, in der Sowjetzeit als Gegenstand von Malerei offiziell tabu, zählt heute ebenso zu ihren Themen wie die Folgen von Tschernobyl, die Sphäre der neuen Reichen, die Verwestlichung des Alltags, den Krieg in Tschetschenien, die Macht des Protests und — ganz traditionell — die Frage danach, was gut und was böse ist.

In der Zusammenstellung der Kuratorin Olga Sviblova, Leiterin des Multimedia Art Museums in Moskau, zeigt sich, wie sehr russische Künstler sich, gestützt auf einen internationalen Stil, mit der Gegenwart ihres Volkes auseinandersetzen. In der Mitte der Schau leuchtet eine Skulptur, die aus Mobiltelefonen besteht und die Gestalt des berühmten avantgardistischen Turms von Wladimir Tatlin angenommen hat. Das Werk der Gruppe Electroboutique handelt davon, wie auch in Russland die virtuelle Welt den Raum persönlicher Erfahrungen immer mehr zurückdrängt.

Ebenso knüpfen Alexei Buldakov, Dmitry Kalashnikov und Maria Zakhvatova an die Avantgarde vom Beginn des 20. Jahrhunderts an: mit "Sex Lissitsky", einer Video-Arbeit, und Paraphrasen auf das Werk Kasimir Malewitschs.

Katastrophe, Aggression, Zerstörung — diese Themen ziehen sich durch die Ausstellung. Aslan Gaysumov erinnert mit auseinandergerissenen Büchern an den Beginn des Tschetschenien-Kriegs, den er als Kind erlebte. Und Taus Makhacheva aus Dagestan hat mit ihrer Kamera die Subkultur illegaler Straßenrennen eingefangen, die sich regelmäßig auf der neuen Autobahn zwischen Machatschkala und dem Flughafen ereignen.

Apollinaria Brochet, mit 17 Jahren die jüngste Künstlerin der Ausstellung, bietet eine Performance-Dokumentation mit dem Titel "Vorsicht". Mit ihren Klassenkameradinnen führte sie in einer verlassenen Klinik für Geisteskranke eine eigenen Version von Tschechows "Krankensaal No. 6" auf.

So zeigt sich auf der abschüssigen Ebene des KIT manches Elend der Welt, ebenso allerdings der Wille, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Am Ende des Gangs durch die Halle nämlich wartet eine interaktive Video-Installation von Mikhail Maximov. Dreht man ein großes, an ein Schiffssteuer erinnerndes Rad, so erzittern die Barrieren, die dahinter auf einer Video-Projektion eine Straße abriegeln. Wer kräftig genug dreht, bringt die Barrieren sogar zu Fall.

Noch fehlt der russischen Kunst — soweit sie in dieser Ausstellung vertreten ist — eine Mehrdeutigkeit, wie man sie von den zeitgenössischen Künstlern des Westens kennt. Doch wird man den Russen nicht verübeln können, dass ihnen die Gegenwart ihres stagnierenden, noch immer nicht demokratischen Landes mehr auf den Nägeln brennt, als es bei ihren deutschen Berufsgenossen der Fall ist, denen die grenzenlose Freiheit zunehmend zum Problem wird.

(RP)
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