Interview Wieder beidhändig am Klavier

Düsseldorf · Josef Bulva darf sich rühmen, vom bekannten Münchner Musikkritiker Joachim Kaiser als "Pianist des wissenschaftlichen Zeitalters" bezeichnet worden zu sein. Nun ist das eine Weile her.

Denn Bulva, der 1943 im tschechischen Brünn zur Welt kam und schon bald als Wunderkind von sich reden machte, musste seine äußerst respektable Karriere 1996 beenden, als er auf eisglatter Straße stürzte und seine linke Hand von Glasscherben unter der Schneedecke furchtbar zerstört wurde. Bulva wechselte das Metier, ging nach Monaco und arbeitete dort als Investment-Banker. Dass er wieder Klavier spielen kann, gleicht einem Wunder. Seit 2010 ist er wieder auf Tournee, eine Beethoven-CD bei RCA wurde positiv aufgenommen. Morgen, 20 Uhr, spielt er im Hentrich-Saal der Tonhalle.

Herr Bulva, welches Programm bringen Sie mit nach Düsseldorf?

Bulva Es ist halbiert zwischen Beethoven und Chopin: Beethovens glanzvollste, die "Waldstein-Sonate", und als interessantes Angebot die "Quasi una fantasia", die zusammen mit der so genannten "Mondschein-Sonate" entstanden ist. Beide brechen mit dem klassischen Formenkanon der Sonatenform. Damals hat man gar gesagt, was sind das für Murks-Stücke.

Auf Ihrer neuen Beethoven-CD ist das alles enthalten. Sie pflegen einen sehr zurückgenommenen, wenig romantischen, sehr analytischen Zugang zu Beethoven.

Bulva Bis ich 21, 22 Jahre alt war, haben mich Komponisten zu dieser Interpretation angeregt, ich habe sie dann vervollkommnet. Seitdem kriege ich dafür wechselweise Ovationen oder Prügel.

Wie sehen Sie die Funktion des Interpreten?

Bulva Wir Interpreten sind nichts weiter als Dienstleistungspersonal des Komponisten. Diese Grenze muss man ziehen. Natürlich befindet sich die Zeit in Dialektik zur Musik: Wir haben heute andere Konzertsäle, sind auf einem anderen Stand der Technik, die Ansprüche an die Leistung auf dem Podium sind enorm gewachsen. Diesem Zeitgeist stellen wir individuelle Originalität, die Ergebnisse der Recherchen und Analysen entgegen. Erst dann geht man ans Klavier und sucht nach Fingersätzen.

Es ist immer eine spannende Sache, ob die Hand diese Ideen auch mitmacht. Haben Sie eine große Pranke?

Bulva Ach, eine durchschnittliche. Aber man sagt: eine schöne.

Sie sind ja beinahe zu einer tragischen Figur im Klaviergeschäft geworden, als Sie sich 1996 die linke Hand schwer verletzten. Ist wieder alles ok?

Bulva Sehen Sie, wir würden dieses Gespräch nicht führen, wenn ich auch nur mit einer Nanosekunde des Gefühls aufs Podium treten müsste, dass ich ein Krüppel bin, der auf Milde hofft. Nein, meine Klavierabende sind keine Paralympics. Die Heilung meiner Hand ist medizinisch sicher eine Sensation, die noch nie dagewesen ist. Inwieweit mein Spiel eine Sensation ist, mögen andere beurteilen.

Hat diese Zwangspause Ihre Interpretation beeinflusst?

Bulva Das ist unumgänglich, weil die Pause gebunden ist ans Älterwerden. Wenn Sie älter werden, alternieren Sie manche Qualifizierungen oder Empfindungen. Das Volumen der Erfahrungen fließt ins Ergebnis ein. Soweit kann man sagen: Ja. Aber bei Interpreten kann man ja nicht von einer blauen oder roten Periode sprechen wie etwa bei Malern. Es ist doch so, dass man das gewissermaßen in die Wiege gelegt bekommt. Im Grunde ändert sich die Einstellung zu Musik nicht.

Ich habe gehört, Sie reisen mit Ihrem eigenen Klavier. Ein Steinway?

Bulva Ja es gibt keine Alternative. Warum? Das ist ein veritabler Beweis der Seriosität. Würden Sie Anne-Sophie Mutter am Vorabend des Konzerts die Geige von Jascha Heifetz geben, würde sie auch sagen, so kann ich nicht spielen.

Es ist zu lesen, Sie seien ein exzentrischer Lebemann. Können Sie mit derlei Formulierungen etwas anfangen?

Bulva Überhaupt nicht. Diesen Ärger muss ich verwalten. Was die Medien so erfinden, entwickelt manchmal ein Eigenleben. Da gibt es Kolumnisten, die öffentlich über heiße Partys bei mir erzählen, aber nie eingeladen waren. Aber da gibt es ja das berühmte Körnchen Wahrheit: Ich war nie verheiratet, ich habe nie Kinder in die Welt gesetzt. Diese bürgerlichen Vorstellungen von Leben habe ich nicht absolviert. Und wenn Sie irgendwo erscheinen mit einer schönen Frau, sind Sie eher fotografiert als mit einem hilfsbedürftigen Mann.

Sie haben früher schon in Düsseldorf konzertiert. Gibt es Erinnerungen?

Bulva Ja, ich glaube, ich war der erste Pianist, der dort mit Orchester spielte, nachdem die Tonhalle wieder eröffnet war. Damals gab es den Plan, Deutsche Musikfestspiele aus dem Boden zu stampfen. Es scheiterte, wie so vieles, am Monetären. Jetzt freue ich mich auf ein Wiedersehen mit René Heinersdorff.

(RP)
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