Düsseldorf Lebensrettung aus Stickstofftanks

Düsseldorf · In den silbernen, unspektakulär aussehenden Stickstofftanks liegt das, was vielen kranken Menschen das Leben retten kann. Was nach der Geburt in der Regel achtlos entsorgt wird, wird von den Mitarbeitern der José Carreras Stammzellbank in einem aufwändigen Verfahren zu einem Transplantat aufbereitet, mit dem schwere Krankheiten wie Leukämie, Stoffwechselkrankheiten oder genetische Defekte behandelt werden.

 Die Nabelschnurblut-Spenden werden in Tanks mit flüssigem Stickstoff bei minus 196 Grad gelagert. In den Kryotanks lagern nach Angaben der Leiterin, Gesine Kögler, zurzeit 21 000 Präparate.

Die Nabelschnurblut-Spenden werden in Tanks mit flüssigem Stickstoff bei minus 196 Grad gelagert. In den Kryotanks lagern nach Angaben der Leiterin, Gesine Kögler, zurzeit 21 000 Präparate.

Foto: Thomas Busskamp

"Nabelschnurblut ist besonders geeignet für Transplantationen, weil die darin enthaltenen Stammzellen noch nicht völlig ausgereift sind", erklärt die Leiterin der Stammzellbank, Gesine Kögler. Bei einer Transplantation werden sie daher seltener abgestoßen als Zellen, die aus Knochenmark gewonnen wurden. "Bei Nabelschnurblut müssen nicht alle Gewebemerkmale zwischen Spender und Empfänger übereinstimmen, anders als bei der Transplantation von Knochenmarkzellen, bei denen sechs von sechs Merkmalen übereinstimmen müssen." Das mache es viel einfacher, einen richtigen Spender zu finden. Und damit kranken Menschen zu helfen.

Zusammenarbeit mit 100 Kliniken

1992, als die Düsseldorfer Stammzellbank gegründet wurde, glaubte kaum jemand, dass das, was Mutter und Kind bis zur Geburt verbindet, nach dem Abklemmen irgendeinen Nutzen haben könnte. Erst als Mitte der 90er Jahre US-Forscher nachwiesen, dass das Plazentarestblut besonders viele wertvolle Stammzellen hat und sogar nicht-verwandten Menschen transplantiert werden kann, verstummten langsam die Stimmen von Skeptikern. Inzwischen arbeitet das Institut für Transplantationsdiagnostik und Zelltherapeutika an der Uniklinik landesweit mit 100 Kliniken zusammen, gehört europaweit zu einem der führenden Transplantate-Hersteller und beliefert mit den Präparaten weltweit rund 300 Transplantationszentren. Doch noch immer sei Aufklärungsarbeit notwendig. "Wir sind den Hebammen, Krankenschwestern und Ärzten dankbar, die uns unterstützen, indem sie Schwangere informieren, einen sehr langen Fragebogen zu der Krankengeschichte von Mutter und Kind abarbeiten und schließlich auch die Nabelschnurvene punktieren und uns die Spende zukommen lassen", sagt Kögler.

Unwissenheit sei aber auch in der medizinischen Branche ein Problem. "Leider suchen viele Fachkollegen nur nach Knochenmarkspendern, wodurch der Patient wichtige Zeit verliert", erklärt die Professorin.

Wie sehr die Spenden aus den Stickstofftanks das Leben der Menschen bewegen können, zeigen Fotos mit lachenden Kindern und Jugendlichen und viele Dankeskarten im Büro von Gesine Kögler. Sie denkt an einen Moment besonders gerne zurück.

2010 trafen sich zwei 13 Jahre alte Jungen an der Uniklinik zum ersten Mal und fielen sich sofort in die Arme. Dem Jungen aus Brasilien, der an der schweren Immunschwächekrankheit SCID litt, war nach der Geburt das Nabelschnurblut des anderen Jungen aus Brüggen gespendet worden. "Das war ein sehr bewegender Moment", sagt Kögler.

(RP/jco)
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