Interview mit dem Tomte-Sänger Thees Uhlmann: "Kinder sind der wahre Rock'n'Roll"

Düsseldorf · (RP). Thees Uhlmann, Sänger und Songschreiber der Band Tomte, sitzt in seiner Berliner Wohnung in Kreuzberg und trinkt schwarzen Tee. Vor zwei Stunden hat er seine Tochter Lisa (3) in die Kita gebracht. Nach dem Gespräch will er an Songs weiterschreiben, später am Nachmittag mit der Band für das Open Source Festival am 7. August proben.

Thees Uhlmann und Tomte
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Sie geben in diesem Jahr zwei Konzerte, eins in Hamburg, eins in Düsseldorf. Warum haben Sie sich für das Open Source Festival entschieden?

Uhlmann Uns war klar, dass wir nur ganz wenige Konzerte spielen wollen, und die Düsseldorfer waren die Ersten, die angefragt haben. Ich finde das Programm sehr interessant. Es ist kein normales Festival im Rockkontext, sondern der Veranstalter versucht viele Stile zusammenzubringen.

Was verbindet Sie mit Düsseldorf?

Uhlmann Ich hege eine unsterbliche Liebe zu NRW. Gerade mit Düsseldorf verbindet mich eine lange Geschichte. Angefangen mit einer Jugendfreundin in Garath und vielen Freunden, die noch immer dort leben. Deswegen freue ich mich besonders auf das Festival.

Sie werden also nicht nur den Samstag hier verbringen, sondern länger bleiben und Ihre Freunde wiedertreffen?

Uhlmann Ich hoffe, die Band ist jetzt nicht erzürnt, aber ich werde auf jeden Fall nicht mit dem Tourbus nach Hause fahren.

Als Jugendlicher aus einer norddeutschen Kleinstadt mit einer Freundin in Garath. War das ein Kulturschock?

Uhlmann Als Landei mit 16 Jahren mit der Bahn in Düsseldorf anzukommen, ist eigenartig. Man fährt von der norddeutschen Seite kommend an diesem imposanten Puff vorbei, wo die Frauen aus den Fenstern hängen. Wie soll man das sagen, ohne dass es sich idiotisch anhört. Aber es ist total verrückt, so etwas zu sehen. Ein Haus, das offenbar nur der käuflichen Befriedigung von Lust dient. Das ist eine Sache, an die man sich erinnert. Es waren wahnsinnig wichtige Besuche. Meine Eltern mussten mich ziehen lassen, weil sie das Mädchen kannten und toll fanden.

Sie haben keinen Song geschrieben, in dem diese Eindrücke vorkommen.

Uhlmann Noch nicht, aber es wäre mal an der Zeit, vielleicht.

Sie haben nicht nur musikalisch viel zu tun, sondern Sie sind auch viel mit ihrer kleinen Tochter unterwegs. Wie lassen sich Vaterschaft und Songschreiben verbinden?

Uhlmann Das passt gut zusammen. Wenn ich die Kurze im Kiga abgeliefert habe, dann habe ich vier bis sechs Stunden Zeit, um etwas auf die Reihe zu bekommen. Das ist ein künstlerisch sehr befreiendes Gefühl, zu wissen, diese Zeit ist für mich da, die habe ich mir sozusagen vom Staat mit der Kindergartengebühr abgekauft. Ehrlich gesagt, habe ich noch nie etwas Gescheites nach 16 Uhr geschrieben.

Wie verbringen Sie Ihre Zeit, wenn Sie nicht gerade auf Spielplätzen sind?

Uhlmann Damit, einer Dreieinhalbjährigen zu erklären, dass wir jetzt um 22 Uhr noch eben das Ikea-Regal aufbauen, dass es dann aber wirklich Zeit ist, ins Bett zu gehen. Oder wird fahren S-Bahn und versuchen, möglichst viele Stellen zu finden, an denen man den Berliner Fernsehturm sehen kann. Das ganz normale Glamouröse eines Jedermanns. Oder wie Campino gesagt hat: ,Kinder sind der wahre Rock'n'Roll'.

Jetzt gibt es Tomte schon sehr lange, seit den frühen 90ern. Wundert Sie das manchmal selbst?

Uhlmann Das ist lustig, dass Sie mich darauf ansprechen. Ich habe kürzlich Musikzeitschriften von 2002 durchgeblättert. Über 70 Prozent der Bands, die da vorkommen, redet niemand mehr. Ich war mir der Sache, die ich mache, immer schon recht sicher und habe eine Menge Energie. Aber da ist mir wieder aufgefallen, dass wir oder ich noch around sind. Das hat mich gefreut, stolz gemacht, weil viele Leute mit erhobenen Häuptern vorbeigehen, wenn man seinen Rockquatsch macht. Es macht dankbar für die Fans, die diesen Weg mitgehen.

Woran hängt Ihr Herz derzeit musikalisch — außer an Tomte?

Uhlmann Ich betreue eine englische Band, die ich im Internet entdeckt habe. Young Rebel Set. Das ist das Herzerfrischendste, die schönste Knutsch- und Feiermusik, die ich seit zehn Jahren gehört habe.

Was erwartet das Publikum bei Open Source Festival?

Uhlmann Die Leute werden unsere liebsten Tomte-Songs hören und auch einen Fußballsong.

Sie schreiben auch Artikel und Gedichte. Wie sind Sie dazu gekommen?

Uhlmann Diese Dinge sind immer zufällig zu mir gekommen. Zum Beispiel hat mal jemand zu mir gesagt, du kannst schreiben, schreib mal was. Und ich habe gesagt: Mein letztes Diktat in Deutsch war eine sechs. Aber das hat damit ja wenig zu tun. Der Akt des Schreibens, sich Gedanken zu machen und das eine Stunde später fertig zu haben, durchzulesen und zu sagen, das ist real, das gefällt mir, das ist witzig und es ist eine gewisse Wahrheit darin versteckt — das ist faszinierend und bringt mir große Befriedigung.

Sie schreiben ein Blog im Internet — hat das etwas mit Fanbindung zu tun, oder was ist für Sie der Anlass?

Uhlmann Man sieht viele Sachen im Alltag. Was auf den ersten Blick simpel erscheint, ist am Ende gesellschaftlich und persönlich bedeutend und wahnsinnig interessant.

(RP)
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