Unterbilk Wo Knochen den Verkehr beruhigen

Junge Familien, alte Häuser - seine Bewohner und die wunderbare Bausubstanz aus dem 19. Jahrhundert prägen Unterbilk ganz besonders. Und natürlich die Verkehrsführung, die in den Seitenstraßen ein wenig, sagen wir: eigenwillig ist. Kaum ein Stadtteil hat sich in den vergangenen Jahren so verändert wie das Viertel zwischen Rhein und Bilk. Das ist nicht zuletzt dem Bau des Rheinufertunnels zu verdanken. Und dem des Stadttors, das zum Wahrzeichen geworden ist.

Gut möglich, dass es Unterbilker gibt, denen Dahlem schnurzegal ist. Es ist sogar wahrscheinlich. Unwahrscheinlich dagegen, dass in Nordrhein-Westfalens kleinster Gemeinde (sie liegt übrigens in der Eifel) nicht schon manches Stoßgebet gen Unterbilk geschickt wurde.

Denn wie das ganze Land wird auch Dahlem in Unterbilk regiert. Der Bauminister sitzt hier, der Arbeitsminister ebenfalls, und wenn man behauptet, Ministerpräsident Jürgen Rüttgers sei ins Unterbilker Wahrzeichen eingezogen, dann ist das irgendwie richtig. Obwohl historisch korrekter die Staatskanzlei 1999 dort Quartier machte, als das imposante Gebäude gerade fertig war. Zum Wahrzeichen hat es sich wohl erst danach entwickelt.

Das Stadttor jedenfalls weist den Weg in die Landeshauptstadt - nach Unterbilk. Ein in vieler Hinsicht junger Stadtteil, der seine Existenz der schnörkeligen Handschrift eines preußischen Beamten verdankt. Der hatte, nachdem 1891 die neue Bahnlinie den Düsseldorfer Stadtteil Bilk zerschnitt, in der neuen Karte die eine Hälfte kurzerhand zu Unterbilk erklärt. Ein Federstrich ohne Folgen: Die Bilker erkennen gutmütig an, dass einige ihrer schönsten Ecken in Unterbilk liegen. Und die Unterbilker lassen das "Unter" selbstbewusst auch schon mal weg. Wäre "Stadtbezirk3" nicht so ein unschöner Name, sie hätten sich wohl längst wieder zusammengetan, auch mit den Friedrichstädtern. In diesem Stadtbezirk sieht man Grenzen nicht so eng.

Deshalb heißt Unterbilks neuestes Grün auch Bürgerpark Bilk. Dabei hatten sich vor allem die Unterbilker die Naherholung redlich verdient, nachdem jahrelang der Verkehr auf Düsseldorfs Haupteinfall-straße den Stadtteil geteilt, verdreckt und zugedröhnt hatte. Mit dem Rheinufertunnel kam die Ruhe - und der Wandel, der Unterbilk prägt wie kaum ein anderes Viertel. Im Park hat sogar die Oper einmal Asyl gefunden. Die ist längst wieder im eigenen Haus. Aber mit K21 und Apollo hat Unterbilk trotzdem herausragende Kulturadressen.

Vor allem junge Familien entdecken das Viertel mit den vielen fein sanierten Bürgerhäusern aus dem 19. Jahrhundert als perfekten Ort zum Wohnen. Das war schon Ende der 70er Jahre so, aber da waren Spielplätze Mangelware. "Die Eltern suchten damals dringend Freiflächen für die Kinder", sagt Volker Wirths. Die Stadt sorgte damals zumindest für Verkehrsberuhigung und ließ sich dafür ein ausgeklügeltes Einbahnstraßen-System einfallen. Unterbilker Knochen nennen sie die grünen Poller, die Ortsunkundige beim Versuch, vom Fürstenwall zur Bilker Allee zu kommen, in den Wahnsinn treiben können.

Genau diese Dinger haben aus der einst ganz normalen Kreuzung von Düssel- und Friedensstraße einen Platz gemacht, der heute in der ganzen Stadt bekannt ist. Natürlich waren es nicht nur die Knochen, sondern vor allem die Anwohnerinitiative, die den Platz vor ihrer Haustür mit Leben füllen wollte. Volker Wirths war dabei. "Zuerst hatten wir an einen Spielplatz gedacht. Aber die Stadt riet uns ab." Lärmbelästigung war das Argument, dem sich die Friedensplätzchen-Leute beugten - und erst einmal ein Stadtteilfest mit der Band Heavy Gummi organisierten. Das war zwar auch nicht leise, aber alle feierten mit, und die 20-köpfige Initiative fand rasch Unterstützer. Und als die Stadt Architekten mit der Gestaltung beauftragte, mischte die Initiative eifrig mit.

Ergebnis: Französische Verhältnisse, wenn man dem Studenten aus Frankreich glauben darf, der vom Friedensplätzchen ganz begeistert ist. Da gibt's spontane Bobby-Car-Rennen und Ballspiele der Kinder, Senioren bringen ihre Klappstühle mit, und wenn gefeiert wird, investiert man den Erlös in Pflanzen und Spielgerät. Der Wochenmarkt ist auch für Nicht-Unterbilker längst eine Alternative zum Carlsplatz geworden und der Nachbarschaftströdel meldet jährlich Rekordbesuch. Das Erfolgsrezept? "Dranbleiben", sagt Wirths, "muss man schon."

Und ein bisschen Unterstützung von der Bezirksvertretung schadet auch nicht. Die hat einen kurzen Draht zu ihren Bürgern, und das macht manches einfach. So auch die Entwicklung der Lorettostraße. Die sahen viele dem Untergang geweiht, als das Einkaufszentrum Arcaden geplant wurde. Mit viel Engagement und natürlich auch ein wenig Geld aus dem städtischen Haushalt hat sich die "Lo" freigekämpft.

Feinschnitt, bedacht und kleidsam heißen da Friseur, Hutladen und Boutique; im Romantiklabor gibt's Alltagsgegenstände bedruckt mit herzerwärmenden bis coolen Sprüchen, und Frl. Buntenbach ist gar kein Fräulein, sondern ein Café- die Lorettostraße ist kreativ geworden. Und schick: Käse kauft man in der Fromagerie, belgische Patisserie und exotischere Genüsse kann man bei Bernstein & Inbar auch sofort probieren.

Das lockt eine Menge Leute nach Unterbilk, was mancherorts skeptisch beobachtet wird. Auf dem Friedensplätzchen etwa, wo Bodenständigkeit und gute Nachbarschaft gefragt sind, hat man "mit diesem Schickimicki nicht so viel am Hut", sagt Volker Wirths. Aber es gibt, typisch Unterbilk, eine friedliche Koexistenz.

Der Wandel ist noch längst nicht abgeschlossen. Siemens wird in diesem Jahr den Stadtteil verlassen und an den Flughafen ziehen - was mit dem markanten Hochhaus geschieht, ist ungewiss. Am Jürgensplatz wird das Polizeipräsidium umgebaut und erweitert - seit langem geplant, und auch wenn noch immer kein Termin feststeht, ziemlich sicher. Und dann ist da noch der boomende Hafen. Der ja eigentlich ein eigener Stadtteil ist. Aber, sagt Volker Wirths augenzwinkernd, "der gehört uns doch auch."

(RP)
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