Holthausen Kamper Acker: Streit spitzt sich zu

Holthausen · Hermann Becker, Mitglied in verschiedenen Holthausener Vereinen, hat die Nase gestrichen voll. Er hat OB Elbers aufgefordert, endlich gegen die Trinkerszene am Kamper Acker vorzugehen. Einige von denen können den Ärger nachvollziehen und wünschen sich einen Raum zum Treffen.

 Das Verlegen der Sitzbänke hat keine Abhilfe geschaffen. Entweder wird gestanden, oder es werden die Bänke an den Haltestellen genutzt, um gemeinsam ein oder zwei Bierchen zu trinken. Nicht sehr zu Freude der Fahrgäste.

Das Verlegen der Sitzbänke hat keine Abhilfe geschaffen. Entweder wird gestanden, oder es werden die Bänke an den Haltestellen genutzt, um gemeinsam ein oder zwei Bierchen zu trinken. Nicht sehr zu Freude der Fahrgäste.

Foto: Göttert

Morgens um 10 Uhr ist für viele Anwohner die Welt am Kamper Acker schon lang nicht mehr in Ordnung. Denn das erste Bier ist es nicht, das an diesem Vormittag vor der Straßenbahnhaltestelle in der Kehle eines Mannes verschwindet, der mit anderen vor der Straßenbahnhaltestelle einfach so herumlungert. Für Hermann Becker, Mitglied in verschiedenen Holthausener Vereinen, inzwischen ein allzu gewohnter Anblick.

 Und noch ein leeres Geschäftslokal. Nach der Fusion der Commerzbank mit der Dresdener Bank nutzt das Geldinstitut nun die alte Dresdener-Filiale.

Und noch ein leeres Geschäftslokal. Nach der Fusion der Commerzbank mit der Dresdener Bank nutzt das Geldinstitut nun die alte Dresdener-Filiale.

Foto: Christoph Goettert

Becker hat nun einen weiteren Brandbrief an Oberbürgermeister Dirk Elbers geschickt, damit das Stadtteilzentrum nicht noch weiter den Bach runtergeht. "Die Holthausener Bevölkerung ist dermaßen aufgebracht, da wir mit diesen Problemen alleine gelassen werden." Das traditionelle Sommerfest im Juni seines Freundeskreises für HIV-betroffene Kinder hat er mit Hinweis auf die "Trinkerszene" bereits abgeblasen.

Commerzbank hinterlässt Lücke

Der Umzug der Commerzbank – wenn auch nur um wenige 100 Meter – macht es nicht besser. Im Schaufenster steht ein Schild "zu vermieten". Doch wer will schon in das Einkaufszentrum von Holthausen, wenn nicht eine weitere Spielhalle oder ein weiteres Wettbüro?

Wenig entfernt – an der nördlichen Henkelstraße (Richtung Bahnhof Reisholz) – hat die Politik im September 2011 per Eilbeschluss einen Sperrbezirk beschlossen. Ein Spielhallenbetreiber wollte dort in einem Gebäude drei Spielhallen mit einer Gesamtfläche von 360 Quadratmeter einrichten: "Eine Konzentration von Vergnügungsstätten würde die Henkelstraße nicht nur in ihrer Funktion als Stadtteilzentrum abwerten, sondern auch das Image als Wohnstandort nachteilig beeinflussen", schrieb das Stadtplanungsamt in seinem Dringlichkeitsbeschluss für den Rat im September. Warum geht das dort und am Kamper Acker nicht, wo die Sorgen doch identisch sind?, fragt sich der zuständige Bezirksvorsteher Heinz-Leo Schuth (CDU), der auf die Spielhalle und das Wettbüro am Kamper Acker verweist.

Vieles hat die Politik bereits probiert. Sechs Runde Tische habe es schon gegeben – letztlich ohne Erfolg, sagt Schuth. Ende Oktober hatten bei der Mobilen Redaktion der RP Anwohner und Händler ihr Herz ausgeschüttet.

Gespräche mit der Ärztin, die in ihrer Gemeinschaftspraxis an der Itterstraße Suchtpatienten mit Methadon versorgt, gab es zuhauf. "Man müsste die Zahl von Methadon-Patienten pro Praxis deckeln", sucht Vladimir Zizka, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Itter und Holthausen, nach einem Ansatz. Die SPD-Ratsfraktion hatte zur Methadonabgabe für den Sozialausschuss eine Anfrage gestellt. Besonders die Abgabe bei freien Ärzten hatten die Genossen im Blick. Doch die Antwort sei spärlich ausgefallen, übt Zizka Kritik an der Sozialverwaltung: "Überall da, wo das Gesundheitsamt Methadon abgibt, gibt es solche Probleme nicht."

Eine Deckelung der Patientenzahl gebe es bereits, erläutert Silke Schlick, die bei der Kassenärztlichen Vereinigung die Geschäftsstelle Methadon betreut: "50 Patienten pro Arzt." Allerdings: Wenn es – wie in Düsseldorf – zu wenig Methadonplätze gibt, kann die Zahl auf maximal 100 pro Arzt heraufgesetzt werden. In der Arztpraxis an der Itterstraße gibt es zwei Ärzte. Für Silke Schlick ist der Ansatz der Vertreibung – wie durch das vorgenommene Versetzen der Sitzbänke – kein zielführender: "Sie dürfen nicht vergessen, Sucht ist eine chronische Erkrankung. Letztlich ist sie schlimmer als Krebs, weil man sie nicht heilen kann." Und somit seien Rückfälle Teil der Erkrankung. Das Ei des Kolumbus habe aus ihrer Sicht noch keiner gefunden. "Und ich war schon bei etlichen Treffen mit verschiedenen Bürgerinitiativen dabei."

In Kiel weist man Erfolge mit einem so genannten Trinkerraum auf. Der trägt den einladenden Namen "Zum Sofa" und bietet den Menschen eine gemütliche Wohnzimmeratmosphäre. Sozialarbeiter bleiben außen vor; die Gäste disziplinieren sich gegenseitig. Alkoholfreies gibt es zum Selbstkostenpreis, Bier und Wein sind etwas teurer. Schnaps und Drogen sind komplett verboten.

"Es geht auch um Freundschaft"

Auch wenn Marco, der gestern Mittag am Kamper Acker auf Platte machte, noch nichts vom Kieler Modell gehört hat, stößt auch er ins gleiche Horn: "Ein Raum wäre für uns eine Lösung, wo wir warten oder einfach nur abhängen können. Es geht hier nämlich nicht nur um Drogen, sondern auch um Freundschaft."

Unterstützung bekommt er von einem Kumpel: "Wir sind Menschen, keine Asozialen. Natürlich gibt es auch bei uns welche, die sich nicht benehmen. Deshalb verstehen wir auch die andere Seite. Hier sind viele Schulen, und die Kinder müssen an uns vorbei, Da versuchen wir uns schon zurückzunehmen." Davon hat ein Kioskbesitzer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, allerdings noch nicht viel gemerkt: "Mir bleiben Stammkunden weg, und Mütter mit Kindern suchen das Weite. Mich stresst die Situation, es geht ja auch um meine Existenz."

Der Kamper Acker liegt gerade noch in dem Einzugsbereich, den Düsseldorf für das Landes-Förderprogramm "Soziale Stadt" eingereicht hat. In das gesamte Gebiet, das Teile von Wersten und Holthausen umfasst, fließen die nächsten Jahre fünf Millionen Euro – auch in soziale Projekte. Maßnahmen für das Holthausener Einkaufszentrum sind derzeit noch nicht dabei. Ein möglicher Ansatz ? Auf jeden Fall ist das vorgelegte Konzept für die Quartiersentwicklung nicht als Bibel zu verstehen. "Neue Maßnahmen können jederzeit aufgegriffen werden", sagte ein Stadtsprecher auf Anfrage.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort