Haan Früher Schule, heute Wohnhaus

Haan · Der Haaner Historiker Reinhard Koll stellte beim Bergischen Geschichtsverein die bewegte und bewegende Geschichte eines besonderes Gebäudes an der Flurstraße vor.

Wo früher das kleine Einmaleins geübt wurde, leben heute Familien ihren Alltag. Drei Wohnungen beherbergt der Backsteinbau an der Flurstraße. Das Haus, an dem man auf dem Weg zur Autobahn oft so achtlos vorbei fährt, war einmal eine Schule. Der Haaner Historiker Dr. Reinhard Koll, der sich mit der Haaner Schulgeschichte befasst, hielt jetzt im Rahmen der Treffen des Bergischen Geschichtsvereins einen Vortrag über die Schule am Heidfeld und ihr Umfeld.

"Notwendig wurde der Bau der Schule am Heidfeld, weil in den Unterrichtsräumen an der Schlagbaumer Straße drangvolle Enge herrschte", erklärte Koll in der Gaststätte "Zum Dom" den Anwesenden. Das zu dieser Zeit noch unerschlossene Gebiet an der Flurstraße galt als einsam und gefährlich. Es wurde, wie der ehemalige Geschichtslehrer anhand eines Kartenauszugs demonstrierte, unter der Bezeichnung "Dreckloch" geführt.

Drei Rektoren haben in der Zeit von 1886 bis 1926 die Geschicke der evangelischen Schule gelenkt. Das geht aus der Chronik hervor, die dem Haaner Historiker vorliegt. Sie besteht aus drei Kladden, in denen die Rektoren ihre Einträge über Lehrerwechsel, Feiern und Unterrichtsausfälle sowie andere Besonderheiten vermerkten.

Erster Schulleiter am Heidfeld von 1886 bis 1894 war Wilhelm Höffgen. Er wurde zum Ende seiner Amtszeit wegen "Unsittlichkeiten mit Knaben" verhaftet, wie es in einem Polizeibericht heißt, und für dieses Vergehen mit eineinhalb Jahren Gefängnis bestraft.

Sein Nachfolger August Grothaus war bis 1909 im Amt. Ihm folgte bis zur Schließung der Schule im Jahr 1926, Wilhelm Haag. Dieser war politisch und sozial sehr engagiert, SPD- und Gründungsmitglied der Haaner Volkshochschule.

"Es war üblich, dass der Schulleiter im Gebäude wohnte", erfuhren die Zuhörer vom Referenten. So wurde im Erdgeschoss in zunächst einem, später in zwei Klassenräumen unterrichtet. Bis zu 100 Kinder lernten in einem Raum gemeinsam. In der ersten Etage befanden sich die Wohnräume.

Auch von der Frau des Schulleiters sind kleinere Anekdoten überliefert: "Man erzählte sich, dass sie das Nachtgeschirr mit Hilfe der Trinkbecher der Schule entleerte", berichtete Koll, während das Publikum zwischen Abscheu und Gelächter schwankte.

Sinkende Schülerzahlen führten 1926 zur Auflösung der Schule, die später für einige Jahre die Berufsschule beherbergte, dann von der Stadt als Übergangswohnung für "sozial Schwache" genutzt wurde. Seit 1987 befindet sich das Gebäude in Privatbesitz. Es gehört Werner Brill, der auch dort wohnt. Er hat vieles erneuert. Kinder wohnen derzeit nicht in dem Haus, das früher mal eine Schule war. "Doch es wurden so einige dort geboren", erinnert sich der Hausbesitzer.

(anre)
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