Wildtiere in der Stadt Wilde Zeiten: In der Region sind die Bären los

Hilden · Sie sehen putzig aus mit ihren dunklen Knopfaugen, den kleinen Ohren und dem flauschigen Fell. Doch wer Waschbären unfreiwillig als Untermieter beherbergt, dem vergeht schnell die Begeisterung für die Vierbeiner.

Haan Mit dem flauschigen Fell und den kleinen Ohren erinnern sie an einen kuscheligen Teddybären. Die spitze Nase stecken sie neugierig in alles hinein. Die Tiere bedienen sich an allem, was sie finden, und können auch aggressiv reagieren, wenn ihnen jemand Einhalt gebieten will.

Gartenhäuschen, Garagen, Dachböden und Schuppen wählen sie gerne als ihr Domizil. Gerd Kussowski aus Gruiten wunderte sich im vorigen Jahr, dass die Säcke mit Futter für das Damwild von "Haus Poock" von oben bis unten aufgerissen waren. Dann entdeckte er abends, als er die Gänse in den Stall brachte, eine Waschbärenmutter mit zwei Jungtieren.

"Häufig merken die Leute das erst einmal gar nicht", sagt der Haaner Landschaftswächter Volker Hasenfuß. Anschließend suchten die meisten Betroffen nach Möglichkeiten, um die Vierbeiner wieder los zu werden. Doch wenn die sich erst einmal wohl fühlen, ließen sie sich nicht so einfach vertreiben. "Sie sind sehr wehrhaft. Mit der Hand möchte ich keinen fangen", gibt Volker Hasenfuß offen zu. Gerd Kussowski bestückte Lebendfallen mit Nutellabroten als Köder. Irgendwann verließen die Waschbären den Hof, nachdem eines der Jungtiere in der Pferdetränke ertrunken war.

Hasenfuß sind die Einwanderer aus Amerika seit Jahren ein Dorn im Auge. Der Naturschützer fürchtet, dass die Waschbären das Gleichgewicht der heimischen Natur empfindlich stören. Besonders die Amphibien, Reptilien und Vögel in Haan und Umgebung sind gefährdet. "Sobald beispielsweise die Amphibien wandern, fressen sie Kröten, Frösche und Molche." Mit Hilfe von Fotofallen hat Hasenfuß versucht, das zu dokumentieren. "Wir haben verschiedene Nachtaufnahmen an Gewässern und Bilder von Jungtieren gemacht." Der Landschaftswächter hat die Tiere sogar schon dabei beobachtet, wie sie in einen Wohnwagen einsteigen wollten. "Die Jungtiere haben gar keine Scheu, die Alttiere sind etwas vorsichtiger."

In den vergangenen drei Jahren haben sich die Waschbären in der Region erheblich vermehrt. Wie viele es inzwischen sind, weiß jedoch niemand genau. "Sie sind nicht wählerisch, und das macht sie so erfolgreich. Sie sind schlau, fruchtbar und Allesfresser. Da wir eine Menge wegwerfen, finden sie einen gedeckten Tisch", sagt Volker Hasenfuß. Erst im Juli entdeckten Polizeibeamte in Velbert zwei Waschbären in einem Müllcontainer, die sie dann "festnahmen". Natürliche Feinde haben sie kaum. "Vielleicht holt ein Uhu mal ein Jungtier, doch ansonsten können sie sich mehr oder weniger unbehelligt vermehren." Bei den Jägern hält sich das Interesse an den kleinen Bären ebenfalls in Grenzen. "Das Fleisch schmeckt nicht, und das Fell ist auch nicht sonderlich begehrt", betont Volker Hasenfuß. In der Stadt sind sie wegen des Jagdverbots in besiedeltem Bereich ohnehin vor Nachstellungen sicher. Dabei sind sie genau dafür in den 30er-Jahren nach Deutschland importiert worden. "Das Naziregime wollte jagdbares Wild und hat die Tiere damals in der Nähe von Kassel ausgesetzt. Da das Klima hier ähnlich ist wie in ihrer nordamerikanischen Heimat, gedeihen sie bei uns prächtig."

In der Vergangenheit sei ihm schon der eine oder andere Waschbär vor die Flinte gekommen, sagt Jagpächter Karl-August Niepenberg. "Weil die Tiere nachtaktiv sind und Winterschlaf halten, sind sie allerdings schwer zu jagen."

Volker Hasenfuß wirft den Jägern und den Verantwortlichen bei den Behörden vor, das Problem zu lange verniedlicht zu haben. Inzwischen sei ihm kaum noch Herr zu werden. Um auf die wachsende Population und die entsprechenden Schäden aufmerksam zu machen, sammelt der Landschaftswächter fleißig Daten. "Als Ehrenamtler können wir das Thema aber nur anstoßen. Für die Maßnahmen sind die Behörden verantwortlich." Vorerst scheinen die putzigen Bären also unbehelligt zu bleiben.

www.rp-online.de/hilden

(domi)
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