Langenfeld Ambulante Dienste rufen Hilfe: Mehr Zeit für Pflege

Langenfeld · Die Wohlfahrtsverbände beklagen die Diskrepanz zwischen steigenden Kosten und der Vergütung ihrer Leistungen.

 Die Fahrzeuge der Caritas Pflegestation in Langenfeld sind mit Fähnchen der Kampagne geschmückt. Die Mitarbeiter tragen entsprechende Buttons.

Die Fahrzeuge der Caritas Pflegestation in Langenfeld sind mit Fähnchen der Kampagne geschmückt. Die Mitarbeiter tragen entsprechende Buttons.

Foto: Matzerath, Ralph

Herr B. lächelt Luiza (Namen von der Redaktion geändert) an, als er die Türe seiner Drei-Zimmer-Wohnung öffnet. Der 90-Jährige wirkt so gar nicht wie jemand, der gepflegt werden müsste. Als er sich über eine defekte Glühbirne beschwert, sagt Luiza: "Dann tauschen Sie sie aus."

Aber Herr B. mag nicht mehr auf einen Stuhl steigen: "Wenn ich falle, könnte es das gewesen sein." Also hilft Luiza. Gerade solche praktischen Handreichungen sind — neben der Verabreichung von Medikamenten und Hilfe bei den Verrichtungen des geriatrischen Alltags — prägend für den Beruf der Pflegekraft. Nur stellen die Krankenkassen nicht einmal für die eigentlichen medizinischen Leistungen genügend Mittel bereit, wie die Freie Wohlfahrtspflege NRW mit ihrer aktuellen Aktion "Hilfe! Mehr Zeit für die Pflege" anprangert.

Während die Personal- und Sachkosten der ambulanten Dienste in den letzten zehn Jahren um 20 Prozent gestiegen sind, haben die Krankenkassen die Leistungsvergütung nur um sieben Prozent angehoben, erläutert Roswitha Witt, Bereichsleiterin der Caritas im Kreis Mettmann. "Die Differenz muss der Verband tragen." Nun sei man an der Grenze des Zumutbaren angelangt, die freien Träger wollten nicht hinnehmen, dass die Qualität weiter leide. Denn inzwischen müsse eine Pflegekraft in einer Tour von vier Stunden 16 Patienten versorgen, vor einigen Jahren waren es noch zwölf.

Und wenn dann solch komplexe Leistungen wie Verbandswechsel oder das Anlegen von Kompressionsstrümpfen gefordert seien, gerate der Zeitplan schnell durcheinander, weil die Kasse dafür nur zehn Minuten veranschlagt — Anfahrt und Dokumentation eingeschlossen. "Es muss ja jeweils genau festgehalten werden, was an pflegerischen und medizinischen Leistungen erbracht wurde, weil dies getrennt abgerechnet wird", erläutert die gelernte Krankenschwester.

Wenn mehrere solcher medizinischen Handreichungen einer Leistungsgruppe angehören, kann der Pflegedienst diese Leistung der Kasse nur einmal in Rechnung stellen. "Gerade bei unseren hochbetagten, teilweise dementen Patienten kann aber schon die Medikamentengabe länger dauern, wenn der alte Mensch Schluckbeschwerden hat", sagt Witt. Sehr zeitaufwändig sei auch die angemessene Versorgung der wundgelegenen Körperteile eines bettlägerigen Patienten.

"Seine individuellen Wünsche und Bedürfnisse treten dabei in den Hintergrund. Kaum ist die Pflegekraft da, ist sie schon wieder weg", sagt Witt, die selber lange Jahre in der Pflege und dann als Pflegedienstleiterin gearbeitet hat. Mit Würde habe das auch zum Leidwesen der Pflegekräfte nicht mehr viel zu tun, zumal für ein persönliches Wort kaum Zeit bliebe. "Dabei ist ja für viele dieser vereinsamten Menschen die Pflegekraft die einzige Verbindung zur Außenwelt."

Der hohe Zeit- und Leidensdruck macht sich bei den sechs Pflegestationen der Caritas vor allem durch einen hohen Krankenstand bei den Mitarbeitern bemerkbar. Mit ihrer Kampagne "Hilfe! Mehr Zeit für Pflege!" fordern die Wohlfahrtsverbände daher nicht nur mehr Zeit für die Versorgung der Patienten ein, sondern auch eine angemessene Vergütung der Mitarbeiter. Aufgrund der Unterfinanzierung der Leistungen hätten schon etliche kleinere Pflegedienste, die keinen großen Verband hinter sich haben, schließen müssen, berichtet Roswitha Witt.

Gerade mit Blick auf die Alterspyramide müsse man sich fragen, wie es mit der Pflege weitergehen soll. Schließlich sorgten die ambulanten Dienste dafür, dass die älteren Menschen möglichst lange in den eigenen vier Wänden wohnen bleiben können. "Das ist auch günstiger als eine stationäre Versorgung", betont die Bereichsleiterin der Caritas.

In NRW gibt es 930 ambulante Pflegedienste in Trägerschaft der Freien Wohlfahrtspflege. Derzeit werden rund 122000 Menschen im Land NRW von einem ambulanten Pflegedienst versorgt.

(RP/ila)
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