Maren Gottschalk "Der Mythos Sophie Scholl ist entlarvt"

Langenfeld · Die Historikerin, Journalistin und Autorin Maren Gottschalk liest am Donnerstag im Flügelsaal des Kulturzentrums.

Als Widerstandskämpferin und Mitglied der "Weißen Rose" wurde Sophie Scholl (1921-1943) zum Mythos. Ihr Mut und ihre Unerschrockenheit sind umso erstaunlicher, als sie noch wenige Jahre vorher eine begeisterte HJ-Führerin war. Neue Quellen zeigen, dass das Mädchen Sophie Scholl eine viel kompliziertere und spannendere Persönlichkeit war als bisher bekannt. Die RP sprach mit der Historikerin und Journalistin Maren Gottschalk, die ihr Buch über Sophie Scholl in einer VHS-Lesung im Flügelsaal des Kulturzentrums am Donnerstagabend vorstellt.

Welche neuen Erkenntnisse gibt es über Sophie Scholl?

Gottschalk Wir wissen heute, dass Sophie Scholl eine sehr überzeugte, fast schon fanatische Jungmädel-Anführerin gewesen ist. Und wir wissen jetzt, dass ihr Engagement in der Hitlerjugend — ebenso wie das ihrer älteren Geschwister — viel länger dauerte, als bisher bekannt. Der "Mythos der frühen Abkehr der Scholl-Geschwister" ist inzwischen sicher als Mythos entlarvt. Außerdem können wir heute erkennen, dass Sophie Scholl eine viel kompliziertere und widersprüchlichere Persönlichkeit hatte, als bisher angenommen. Mein Buch über sie möchte diese Facetten darstellen.

Wie haben Sie für Ihr Buch recherchiert?

Gottschalk Zuerst habe ich die wichtigsten Orte besucht. Sophies Geburtsstadt Forchtenberg und dann Ludwigsburg, Ulm und München, wo sie überall gelebt hat. In Stuttgart konnte ich mit ihrer Schwester Elisabeth Scholl — heute heißt sie Hartnagel — sprechen, was mich sehr bewegt hat. Außerdem habe ich mit einer Reihe von Experten und Zeitzeugen gesprochen. Und dann habe ich im Institut für Zeitgeschichte in München die Tagebücher und Briefe von Sophie Scholl gelesen.

Was hat Sie am meisten bei Ihren Recherchen erstaunt?

Gottschalk Mich hat ihre gnadenlose Selbstkritik überrascht, ihr großer Mut sowie ihre Bereitschaft, sich niemals von der Angst besiegen zu lassen. All das hat mich sehr berührt.

Wie ist Ihr Buch angelegt? Ist es eher wissenschaftlich geschrieben oder leicht zugänglich für alle?

Gottschalk Es lässt sich leicht lesen, und alle wichtigen Informationen werden in die Geschichte von Sophie Scholl eingeflochten. Mein Buch "Schluss. Jetzt werde ich etwas tun. Die Lebensgeschichte der Sophie Scholl" ist in der Reihe "Erzähltes Leben" von Beltz & Gelberg erschienen. Diese Reihe richtet sich an junge Leser und Erwachsene. Aber auch Wissenschaftler haben mein Werk gelesen. Von vielen bekam ich ein sehr positives Feedback.

Gibt es neue Fotos?

Gottschalk Nein, leider nicht.

Was fasziniert Sie bis heute an Sophie Scholl?

Gottschalk Dass sie ein Mensch war und keine furchtlose Heldin. Dass sie Stärken und Schwächen hatte und dass sie sich dazu entschieden hat, etwas gegen das Regime zu tun und nicht länger zu schweigen.

Inwiefern ist sie für die Deutschen und nachfolgende Generationen noch immer ein wichtiges Symbol?

Gottschalk Wir verdanken Sophie Scholl und allen anderen Widerstandskämpfern, dass wir heute in jedem Buch über das Dritte Reich auch ein Kapitel zum Thema "Widerstand" finden. Darüber bin ich sehr froh.

Was können wir von Ihrem Vortragsabend im Flügelsaal erwarten?

Gottschalk Mir geht es darum, Sophie Scholls Entwicklung vom zackigen HJ-Mädel zur mutigen Widerstandskämpferin aufzuzeigen. Meine Lesung wird außerdem musikalisch begleitet, und es wird Wein und Käse geben.

Geht das denn überhaupt in Anbetracht der Schwere dieses Themas: Eine Lesung über Sophie Scholl und dazu vergnügliche Musik mit Wein und Käse?

Gottschalk Selbstverständlich geht das. Sophie Scholl wäre die letzte, die sagen würde, wir dürften keinen Wein trinken und nichts essen, wenn wir uns mir ihr beschäftigen. Sie war eine junge Frau, die gerne gelebt hat und weiterleben wollte. Sie war auch ein sinnlicher Mensch. Es geht doch darum, ihre Ideen und ihre Ziele nicht zu vergessen. Und was die Musik betrifft: Wir haben zum Beispiel Stücke von Bach ausgewählt, den Sophie selbst sehr geliebt hat und immer wieder erwähnt. Was passt also besser zu einer Lesung über sie?

RP-MITARBEITERIN VIOLA GRÄFENSTEIN STELLE DIE FRAGEN

(vg)
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