Leichlingen Kita: Strafe für zu spätes Abholen

Leichlingen · Weil Eltern ihre Kinder immer häufiger zu spät von der Kita abholen, will die Stadt Leichlingen ihnen jetzt ein Bußgeld in Rechnung stellen: zehn Euro pro angefangener Viertelstunde, zu zahlen in bar. Elternvertreter sind empört.

 Finn und Inga werden rechtzeitig abgeholt. Obwohl Nadine Bögel und Elmar David beide alleinerziehend sind, schaffen sie es meist, pünktlich zur städtischen Kita „Förstchen“ in Leichlingen zu kommen.

Finn und Inga werden rechtzeitig abgeholt. Obwohl Nadine Bögel und Elmar David beide alleinerziehend sind, schaffen sie es meist, pünktlich zur städtischen Kita „Förstchen“ in Leichlingen zu kommen.

Foto: Matzerath, Ralph

Kurz vor 17 Uhr warten nur noch wenige Kinder in der Kita "Förstchen" in Leichlingen auf ihre Eltern. Die vierjährige Lynn ist eine von ihnen. Sie hat schon Anorak und Schuhe angezogen, als Vater Gerd-Uwe Sachse durch die Tür tritt. "Meine Frau arbeitet in Dortmund, ich in Düsseldorf. Da ist es schwierig, die Zeit immer genau zu kalkulieren. Und manchmal stehen wir einfach beide im Stau", sagt er. Dann wird es auch mal nach 17 Uhr. Das kann bald teuer werden — denn Zuspätkommen soll künftig Geld kosten.

Die Stadt Leichlingen will Eltern, die ihre Kinder zu spät von der Kita abholen, künftig ein "zusätzliches Entgelt" in Rechnung stellen: zehn Euro pro angefangene Viertelstunde — zu entrichten in bar an eine Zahlstelle in der Einrichtung, so der Vorschlag des Leichlinger Bürgermeisters Ernst Müller, der diesen am 1. Dezember in den Rat der Stadt einbringen will. Wer sich weigert, der Zahlungsaufforderung nachzukommen, dem drohen Mahnung und Vollstreckung. Das Geld soll in die Stadtkasse fließen. Dabei gehe es nicht darum, die Finanzen aufzubessern, stellte gestern Leichlingens Jugendamtsleiter Hubert Knops klar. "Wir wollen einen Warnschuss abgeben" — um ein Problem zu lösen, das es offenbar nicht nur in Leichlingen gibt.

"Verspätungen von fünf bis zehn Minuten kommen häufig vor", erklärt Sabine Uhlenkott, Kita-Expertin beim Landesverband der Gewerkschaft Verdi. Eltern, die einmal pro Halbjahr im Stau stecken, seien nicht das Problem. Schwierig werde es, wenn Eltern zwei oder drei Stunden zu spät kommen — oder die ganze Nacht über nicht erreichbar sind. "Auch das gibt es", sagt Uhlenkott.

In der Leichlinger Kita "Am Förstchen", die um 17 Uhr schließt, wartete Erzieherin Tessa Morsbach schon bis nach 21 Uhr mit einem "vergessenen Kind" auf dessen Eltern. "Das ist für die Kinder furchtbar, wenn sie zusehen müssen, wie alle anderen abgeholt werden und sie als einzige zurückbleiben." Deshalb rufen die Erzieherinnen auch nur in den seltensten Fällen den Notdienst des Jugendamtes — das würde das Kind zusätzlich unter Stress setzen, sagt Morsbach.

Doch auch für sie und ihre Kolleginnen, von denen viele selbst Kinder haben, bedeuten die ungeplanten Überstunden Stress: die Familie vertrösten, Termine absagen, umorganisieren. "Zudem sammeln sich Überstunden an, die wir abbauen müssen — Zeit, die für die Betreuung der Gruppe fehlt", sagt Tessa Morsbach. "Zumal auch ein einziges Kind immer von zwei Erzieherinnen betreut werden muss." Obwohl in Leichlingen allein die Ankündigung eines Bußgelds für Spätabholer zu mehr Pünktlichkeit geführt habe, halten Elternvertreter die Disziplinierungsmaßnahme für den falschen Weg.

Der Landeselternrat kündigte gestern Proteste gegen die Einführung des Bußgeldes an. "Die Kita-Öffnungszeiten in NRW sind sehr starr und mit den Arbeitszeiten der Eltern nicht immer hundertprozentig zu vereinbaren", sagt Vorstandsmitglied Anke Bohlander. "Da kann es passieren, dass man mal zu spät kommt — deshalb Strafzahlungen zu verhängen, ist eine Frechheit." Verspäteten sich dieselben Eltern immer wieder, sei es eher angemessen, Experten vom Jugendamt hinzuzuziehen, statt Strafen zu verhängen. "Denn dann gibt es meist tiefer gehende Probleme, die gelöst werden müssen."

Auch nicht kommunale Träger, die sich in Leichlingen auf die neue Rechtsgrundlage beziehen könnten, wollen vorerst auf das Gespräch mit den Eltern setzen. "Straf- und Säumnisgebühren sind nicht unsere Sprache", stellte der Sprecher der Evangelischen Kirche im Rheinland klar. "Das Fehlverhalten der Eltern darf keine negativen Auswirkungen auf die Kinder haben", hieß es aus mehreren Bistümern. In Radevormwald behält sich die Stadt vor, bei wiederholtem Zuspätkommen den Betreuungsvertrag aufzulösen. Solingen passt, wenn mehr als 80 Prozent der Eltern sich dafür aussprechen, die Öffnungszeiten der Kitas an.

Um Verständnis für gestresste Eltern wirbt die Leichlingerin Nadine Bögel. "Ich habe Glück, weil meine Arbeitsstelle nahe der Kita ist." Deshalb schafft es die alleinerziehende Mutter meist pünktlich, Sohn Finn abzuholen. "Aber bei jedem kann mal etwas dazwischen kommen."

(RP/jco/rm)
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