Meerbusch Auf Kraftwerks Spuren in Meerbusch

Meerbusch · Das Tonstudio der legendären Elektropioniere soll nach Osterath gezogen sein. Der Standort ist jedoch geheim. Eine Spurensuche

 Das alte Tonstudio der Band an der Düsseldorfer Mintropstraße ist inzwischen ein Pilgerort für Fans.

Das alte Tonstudio der Band an der Düsseldorfer Mintropstraße ist inzwischen ein Pilgerort für Fans.

Foto: Endermann/Archivfoto: EMI

Das Gewerbegebiet Mollsfeld am Ortsrand von Osterath ist eine wenig glamouröse Bürosiedlung. Hier haben einige Computerfirmen, Softwareunternehmen und Niederlassungen von Sportartikelherstellern ihre Vertretungen, es gibt ein Autohaus sowie ein Gartencenter. Bis auf ein Paar Raucher vor den Türen der Bürogebäude und einigen Spaziergängern mit ihren Hunden ist die Gegend ausgestorben. Doch neben Software für Speditionen oder Anlagestrategien soll hier auch noch Musik von Weltruhm entstehen, sagt zumindest die Gerüchteküche Internet. Irgendwo hinter den Glasfassaden soll sich das Kling-Klang-Studio der Band Kraftwerk verstecken.

 Auf eine lange Suche durchs Gewerbegebiet Mollsfeld machte sich RP-Mitarbeiter Clemens Henle. Vor diesem Bürogebäude wurde er übrigens nicht fündig.

Auf eine lange Suche durchs Gewerbegebiet Mollsfeld machte sich RP-Mitarbeiter Clemens Henle. Vor diesem Bürogebäude wurde er übrigens nicht fündig.

Foto: Achim Hüskes

Bis 2009 befand sich das Studio an der Mintropstraße 16 in Düsseldorf, in direkter Nähe von Strip Clubs, Dönerbuden und Sexshops. Schon seit langem ist das Haus mit dem Schild "Elektro Müller GmbH" zur Pilgerstätte für Kraftwerk-Fans aus aller Welt geworden, zu einem Mythos aus den Tagen als Kraftwerk aus Transistoren sphärische Klänge zauberten, die man bis dato noch nie so gehört hatte. Dort produzierten sie ihre wegweisenden Alben, die als Samples zur Blaupause für Hip-Hop, House und Techno wurden.

Die Raucher vor der Tür einer Softwarefirma reagieren überrascht auf die Nachfrage, ob sie wissen, wo das Kraftwerkstudio sei. "Kraftwerk kenne ich zwar, aber ein Studio ist hier sicher nicht", meint einer der Raucher, der sich vor dem winterlichen Nieselregen tief in seiner Funktionsjacke vergraben hat. Auf der anderen Straßenseite geht eine Frau mit ihrem Pudel durch den Regen. Erschrocken, wer in dieser menschenleeren Straße sie ansprechen könne, weicht sie zurück.

"Entschuldigung, wissen sie, wo das Studio der Band Kraftwerk ist?" Sie schaut leicht entgeistert, ob der Frage: "Ist das diese Band, die bald in Düsseldorf wieder auftritt." Ihr kleiner Pudel bellt freundlich. In der kommenden Woche spielt die Band mehrere Konzerte im K20. Die Karten für die zehn Auftritte waren bereits nach wenigen Minuten ausverkauft. "Fahren sie mal die Straße runter. Da gibt es irgendeine Firma, die was mit Musik macht", meint die Spaziergängerin.

Das Bürogebäude aus den 80er Jahren mit selbigem verblasstem Charme kann die Hoffnungen, das Troja der elektronischen Musik gefunden zu haben, nicht erfüllen. Hier residiert die Firma "Ton&Studiotechnik". Vielleicht kauft das einzig verbliebene Gründungsmitglied der Band, Ralf Hütter, neue Synthesizer, ganz sicher ist in diesem Gebäude aber nicht die Kraftwerk-Zentrale. Denn die Band war nicht nur musikalisch, sondern auch beim Design und der Auswahl ihrer Bühnenkleidung stilbildend. Das zweite Gründungsmitglied neben Hütter ist der Büdericher Florian Schneider. Ihm war der Charme der modernistischen, in Beton gegossenen 60er und 70er Jahre schon in die Wiege gelegt. Sein Vater Paul Schneider-Elsleben war als Architekt für den Mannesmannturm am Rheinufer, die Haniel-Garage und den Kölner Flughafen verantwortlich.

Zurück im Mollsfeld fällt hinter der Epson-Zentrale ein auf Stelzen stehendes Gebäude ins Auge, das schon sehr viel mehr nach Kraftwerk ausschaut. Auf dem Dach steht eine goldene Figur mit ausgebreiteten Armen. Ist diese Figur also ein Hinweis auf die Roboter, als die sich Kraftwerk so gerne stilisieren? In roten Leuchtdioden steht auf der Figur "Label me". "Benenne mich" also. Eldorado scheint gefunden, die Architektur stimmt, die Roboter stehen schon auf dem Dach, und auch die gediegenen Audis passen zu der Band.

"Ich suche die Kling-Klang-Studios von Kraftwerk, sind die zufälligerweise hier?" Durch die Gegensprechanlage fiepst eine junge Frauenstimme entgeistert zurück: "Hä? Nein! Wir sind eine Firma, die intelligente technologische Lösungen für relevante Themen released." Eine technische und intelligente Lösung ist die Musik von Kraftwerk zwar, relevante Themen wie das Fahren auf der Autobahn zu Zeiten des Sonntagsfahrverbots wurden auch thematisiert, aber mit "Livestock Management" oder "Library Solutions" hat Ralf Hütter sicher nichts am Hut.

Ernüchterung macht sich breit, war die Gerüchteküche Internet also mal wieder falsch informiert? Ein Gewerbepark in Meerbusch ist nun wahrlich nicht der Ort, den sich ein Musiker vorstellt, wenn er mit seinem Studio umzieht. Ibiza, London, das Arabella-Hotel in München oder ein alter Kino-Saal in Berlin schon, aber Mollsfeld... Und am Ende ist die lange Suche doch erfolgreich! "Schauen Sie mal dahinten, das könnte es sein", sagt ein Mitarbeiter eines Autohauses. Und tatsächlich, das könnte es sein. Ein Gebäude wie die Liedtexte der Band: Metal auf Metal, Spiegelglas, ein riesiger elektrischer Generator. Doch der letzte Beweis, das Klingelschild, mit der Aufschrift "Kraftwerk", fehlt. Und auch auf laute Zurufe macht keiner der Stars die Tür auf. Ganz sicher ist es also nicht, und das ist auch gut so. Denn eine Band, die über Jahrzehnte keine Interviews gab, will sich nicht offenbaren — egal ob in New York oder in Meerbusch. Sie wollen der Mythos bleiben, der sie schon längst sind.

(RP)
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