Analyse Der verwaltete Bürger begehrt auf

Meerbusch · Ein Konverter soll gebaut, eine Schule geschlossen werden. Gegen beides regt sich starker Widerstand. Die Proteste werden die Meerbuscher Kommunalpolitik dauerhaft verändern

 Im Dezember 2012 füllten die Gegner des geplanten Doppelkonverters bei einer Kundgebung den Kirchplatz in Osterath.

Im Dezember 2012 füllten die Gegner des geplanten Doppelkonverters bei einer Kundgebung den Kirchplatz in Osterath.

Foto: Ulli Dackweiler

Plakate, überall Plakate: Die einen trommeln gegen den Bau des geplanten Doppel-Konverters am Rand von Osterath, die anderen entweder gegen oder für die Schließung der Barbara-Gerretz-Grundschule, ebenfalls in Osterath. Hier bündelt sich derzeit eine Entwicklung, die nicht ohne Auswirkungen auf die Art und Weise bleiben wird, wie in Meerbusch künftig Politik gemacht wird.

 Im Juni 2012 demonstrierten Gegner der Grundschulschließung mit Transparenten vor dem Schulausschuss.

Im Juni 2012 demonstrierten Gegner der Grundschulschließung mit Transparenten vor dem Schulausschuss.

Foto: Ulli Dackweiler

Gegen beide Projekte regt sich starker Widerstand, und das hat seinen Grund. Denn es geht bei den Protesten nicht nur darum, dass da ein Industrie-Komplex in unmittelbarer Nähe eines Wohngebiets aus dem Boden gestampft werden soll. Es geht auch nicht ausschließlich darum, dass eine beliebte und tief im Leben der Menschen verwurzelte Grundschule schließen soll. Es geht vor allem auch um politischen Stil. Beide Entscheidungen haben die Bürger überfahren. Beide wurden in Hinterzimmer-Zirkeln vorbereitet, ohne Einbeziehung der unmittelbar Betroffenen. Und beide wurden von den zuständigen Stellen sehr schnell als angeblich "alternativlos" präsentiert. Will meinen: Liebe Bürger, tut uns ja Leid, aber Einspruch ist zwecklos.

Aber genau so provoziert man Empörung. Dabei sind das keine Wutbürger, die da nun seit Monaten Sturm laufen. Die meisten, die gegen den Konverter-Bau protestieren, unterstützen sehr wohl den Umbau des Stromnetzes. Aber die Kaltschnäuzigkeit, mit der man ihnen die hässlichen Folgen der Energiewende ungefragt vor die Haustür klotzen will, regt die Leute auf.

Und wie sollen Eltern, die ja sehr wohl wissen, dass man auf die langfristig sinkenden Schülerzahlen reagieren muss, Verständnis dafür haben, dass man ausgerechnet die Grundschule im Ort mit den höchsten Anmeldezahlen dicht macht, weil es den Kämmerer so am billigsten kommt? Als ginge es nur um ein Gebäude und nicht vor allem um pädagogische Inhalte.

Konverter und Schule – beides war eine Sache von wenigen Monaten. Wie sollen Bürger diese Hast verstehen in einer Stadt, die sich für die Entwicklung der Ostara-Brache ein Jahrzehnt Zeit gelassen hat, vom Dauergerangel um Haus Meer ganz zu schweigen? Und nun soll plötzlich gar keine Zeit mehr sein für die Suche nach intelligenten Alternativlösungen für das Schulproblem oder einem anderen, besseren Standort für den Konverter?

Die Bürger sind ja nicht taub und blind. Sie sehen, dass in anderen Kommunen bedrohte Schulen von einer Allianz aus Politik und Eltern mit Zähnen und Klauen verteidigt werden, weil sie als entscheidender Standortfaktor gelten. In Meerbusch-Osterath wurde dagegen ein hässlicher Verdrängungskampf zwischen zwei Schulen provoziert, der tiefe Gräben gerissen hat. Und die Menschen haben natürlich registriert, wie auf der anderen Seite des Rheins Bürger gegen eine Gas-Pipeline mobil gemacht haben. Die war zwar parlamentarisch abgesegnet, aber der Bayer-Konzern hielt es nicht für nötig, auf die Sorgen der Betroffenen einzugehen. Im Meerbuscher Konverter-Streit hat es der Netzbetreiber Amprion nicht viel anders gemacht.

Egal, wie der Bürgerentscheid am Ende ausgeht, egal, ob der Konverter am Ende nach Meerbusch kommt oder nicht – beide Vorgänge haben die Wachsamkeit der Bürger geschärft. Und ihren Willen zur direkten Einmischung gestärkt.

Das bedeutet, dass es anstrengender werden wird für die Meerbuscher Politiker. Transparenz, das Ringen um einen Konsens, das ist mühsam. Aber es ist der Preis für die Akzeptanz von Politik, gerade auf kommunaler Ebene. Den Bürger nur zu verwalten, das wird nicht mehr reichen.

(RP)
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