Meerbusch Hitzige Debatte über "Nazi-Straßen"

Meerbusch · Im Hauptausschuss prallten gestern sehr verschiedene Meinungen aufeinander, wie nach der Debatte um die Hugo-Recken-Straße weiter verfahren werden soll. Ein weit gefasster Prüfantrag der SPD fand keine Mehrheit.

 Ist sehr an der Geschichte der Region interessiert und Vorsitzender des Heimatkreises Lank. Franz-Josef Radmacher sieht es aber kritisch, alle Meerbuscher Straßennamen nun auf mögliche NS-Verbindungen prüfen zu lassen.

Ist sehr an der Geschichte der Region interessiert und Vorsitzender des Heimatkreises Lank. Franz-Josef Radmacher sieht es aber kritisch, alle Meerbuscher Straßennamen nun auf mögliche NS-Verbindungen prüfen zu lassen.

Foto: U.D.

Gibt es in Meerbusch neben der Hugo-Recken-Straße noch mehr Straßen, die nach Funktionsträgern des NS-Regimes benannt sind? Um das herauszufinden, hatte die SPD gestern im Hauptausschuss einen Antrag gestellt: Die Verwaltung solle eine Liste sämtlicher Straßen, Wege und Plätze vorlegen, deren Namen mit Personen des NS-Regimes in Verbindung stehen, oder die an Diskriminierung, Ermordung und Verfolgung von Menschen beteiligt waren oder den Zweiten Weltkrieg offen gefordert oder verteidigt haben.

Dieser Antrag löste eine hitzige Debatte unter den Politikern aus. "Diese Aufgabe geht für eine Verwaltung zu weit", sagte der grüne Fraktionsvorsitzende Jürgen Peters, vielleicht könne man den Geschichtsverein damit beauftragen. Werner Damblon (CDU) erklärte: "Das ist eine Mammutaufgabe, diesen Rundumschlag würden die Bürger nicht verstehen." Er verwies auf die Stadt Essen. Dort hatten Anwohner eine Straßenumbenennung per Bürgerentscheid rückgängig gemacht.

Inhaltlich positionierte sich die FDP auf Seiten der SPD: "Wir können nicht sagen: Das ist schon so lange her", sagte Jürgen Rettig (FDP). "Von daher finde ich es richtig, dass man die Straßen sondiert." Letzten Endes seien vielleicht 20 Straßennamen kritisch. Mit einer Art "Grobscreening" ließen sich die umstrittenen Straßennamen, mit denen man sich dann eingehender befassen müsse, herausfiltern.

Das sah Bürgermeister Dieter Spindler (CDU) ganz anders: "Ein Grobscreening ist nicht vertretbar. Da besteht die Gefahr, dass man jemanden nicht mit drauf nimmt, der aber draufgehören würde. Oder, dass da jemand auf der Liste landet, der da nicht draufgehört. So etwas ist nicht schnell mal eben zu googlen." Sinnvoller sei es, konkrete Verdachtsfälle von externen Experten untersuchen zu lassen. Dass die Stadt bei begründeten Zweifeln reagiere, habe sie in Bösinghoven gezeigt. Dort war der Carl-Diem-Weg in Georg-Buder-Weg umbenannt worden. Diem hatte noch am 18. März 1945 Mitglieder der Hitlerjugend zu einem "finalen Opfergang für den Führer" aufgerufen.

Franz-Josef Radmacher (CDU) sah die angestrebte Untersuchung der Straßennamen kritisch: "Man wühlt da etwas auf und kann es nicht heilen. Es ist zu spät — da geht die Geschichte drüber weg." Nach dem Krieg habe es die Entnazifizierungsverfahren gegeben, als noch viele Zeitzeugen lebten. "Kommt man nach so langer Zeit heute zu besseren Ergebnissen?" Fast alle Lehrer seien NSDAP-Mitglied gewesen, mit Josef Werres trage eine Straße den Namen eines sehr angesehenen Mannes, der das Nazi-Regime unterstützte, aber nach dem Krieg das von den Nazis entsorgte Kreuz in die Schule zurücktrug. Radmacher sagte: "Ich warne davor, das anzufangen. Wo hört das auf?"

Jürgen Eimer (SPD) betonte, dass es im Endeffekt um eine Handvoll Straßen gehe, die "unter einem gewissen Verdacht" stehen. "Wir sind die Nachkriegsgeneration und haben natürlich heute eine ganz andere Beurteilung als in den 50er und 60er Jahren vielleicht auch damalige SPD-Ratsherren. Es ist aber das gute Recht jeder Generation zu sagen: Wen möchten wir mit einem Straßennamen ehren? Und nur darum geht es."

Für den Antrag der SPD stimmte auch die UWG, die FDP enthielt sich. CDU, Grüne und Zentrum stimmten dagegen. Die SPD kündigte an, in Kürze einen differenzierteren Ergänzungsantrag zu stellen.

(RP/rl/EW)
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