Meerbusch Leben mit den Folgen von Hiroshima

Meerbusch · Der Vater schreit der Familie zu, sie solle sofort ins Haus rennen. Nur Sekunden folgen ein Lichtblitz und eine gewaltige Druckwelle. Fast hunderttausend Menschen sterben am 6. August 1945 durch den Atombombenabwurf in Hiroshima.

 Keiko Murakami überlebte den Atombombenabwurf in Hiroshima. Im Kulturzentrum Mönter erzählte sie aus ihrem Leben.

Keiko Murakami überlebte den Atombombenabwurf in Hiroshima. Im Kulturzentrum Mönter erzählte sie aus ihrem Leben.

Inmitten des Infernos steigt die damals achtjährige Keiko Murakami mit Vater, Mutter und den beiden Geschwistern aus den Trümmern ihres Elternhauses, 1,7 Kilometer vom Epizentrum der Atomexplosion. Sie sahen auf eine brennende Stadt. Heute ist sie 74 Jahre alt und berichtet der Welt von ihren Erlebnissen.

Am Freitagabend war sie im Osterather Buch- und Kunstkabinett Mönter zu Besuch. Sie erzählte ihre Geschichte, die den Zuhörern unter die Haut ging. Sie handelt von einem jungen Mädchen, das die Explosion zwar überlebt, zwei Monate später aber an der Strahlenkrankheit erkrankt.

"Ich hatte Blut in Urin und im Stuhl. Da niemand wusste, was es war, steckten mich meine Großeltern in eine kleine Hütte", so Murakami. Die japanische Bevölkerung habe erst gedacht, in der Bombe sei ein Virus enthalten gewesen. Erst nach und nach erfuhren sie, was es mit der nuklearen Explosion auf sich hatte. Monate später fingen Keiko Murakamis Ohren, ihr Mund und ihr Hals an zu eitern. Es dauerte, doch dann konnte sie in einem Krankenhaus behandelt werden.

Der Arzt erklärte, ihre Krankheit sei auf akute Strahlung zurückzuführen. Schnell besorgte der Vater auf dem Schwarzmarkt Penicillin, und die Symptome verschwanden. Gut zehn Jahre später entstanden in Japan die ersten Anti-Atom-Bewegungen. "Es war nach dem März 1954 auf dem Bikini-Atoll", sagte Keiko Murakami "Dort fanden Wasserstoffbombentests statt. Thunfisch war nicht mehr für Sushi freigegeben."

Zu dieser Zeit fand Keiko Murakami eine Anstellung in einem Strahlenkrankenhaus. "Das war mein Wunsch. Ich habe mich mit Opfern unterhalten und ihre Geschichten dokumentiert." Einen Ehemann habe sie zwar später auch gefunden, ihm ihre Verstrahlung aber verschwiegen. Eine Schwangerschaft folgte, aber "da das Kind nach der Geburt schwächlich wirkte, schöpfte seine Familie Verdacht, und er verließ mich".

Doch ihr Sohn überlebte. Heute ist Keiko Murakami stolze Großmutter von zwei Enkeln. Seit 1998 reist sie als Zeitzeugin durch die Welt und warnte – bereits lange vor Fukushima – vor der Nutzung der Atomenergie.

In Japan gehörte sie damit zu einer kleinen Minderheit. 54 Atommeiler zählt Japan heute. Auch vor der Nuklearkatastrophe habe es immer wieder Störfälle gegeben: "Ich habe großen Respekt vor der deutschen Politik, den Bürgern, die sich nach Fukushima zum Atomausstieg bekannt haben."

(RP)
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