Meerbusch Mordprozess: Täter muss drei Jahre in Haft

Meerbusch · Weil er dreimal auf seine Lebensgefährtin einstach, muss ein Osterather für drei Jahre ins Gefängnis. Bis zum Antritt der Strafe darf er nach Hause. Als der Richter das verkündete, schickte der Angeklagte seiner Freundin einen Kuss.

 Der Angeklagte ließ über seine Verteidigerin erklären, dass er seine Tat sehr bereue. Das Opfer, seine Lebensgefährtin, hatte ihm verziehen und den Prozess auf der Zuhörerbank verfolgt.

Der Angeklagte ließ über seine Verteidigerin erklären, dass er seine Tat sehr bereue. Das Opfer, seine Lebensgefährtin, hatte ihm verziehen und den Prozess auf der Zuhörerbank verfolgt.

Foto: H.-J. Bauer/Röse

Am Ende des Mordprozesses war es eine Art Familientreffen. Der Bruder des Angeklagten rief: "Danke, liebes Gericht!" Das Opfer des Angeklagten — im August mit drei Messerstichen an der Rudolf-Diesel-Straße in Osterath lebensgefährlich verletzt zusammengebrochen — schlug vor Freude die Hände vors Gesicht, weil ihr Lebensgefährte bis zum Haftantritt erstmal das Gefängnis verlassen darf.

 In der Nähe des Kaiser's-Parkplatzes brach das Opfer zusammen.

In der Nähe des Kaiser's-Parkplatzes brach das Opfer zusammen.

Foto: Röse

Und der Angeklagte selbst: Er küsste seine Hand und hauchte den Kuss der 39-Jährigen Freundin über die Barriere auf die Zuschauerbank des Gerichtssaals zu. Sie schrieb ihm Briefe ins Gefängnis. Und nahm jeden Prozesstag auf der Zuhörerbank Platz.

Drei Jahre muss Farshid A. wegen gefährlicher Körperverletzung in Haft. Am 6. August hatte er nach einem Streit auf seine Lebensgefährtin eingestochen und sie lebensgefährlich verletzt. Sie war noch 200 Meter weit geflüchtet und dann nahe dem Kaiser's-Parkplatz zusammengebrochen. In einer Notoperation in einem Krefelder Krankenhaus retteten die Ärzte ihr Leben.

Die Merkmale des versuchten Mordes sah selbst der Staatsanwalt im Laufe des Prozesses nicht mehr als erfüllt an. Er forderte gestern in seinem Plädoyer drei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung. "Der Sachverständige hat festgestellt, dass der Angeklagte voll verantwortlich für seine Tat ist", erklärte er. Zwar habe der Beschuldigte ein Geständnis abgelegt, das aber zu einem Zeitpunkt, als längst klar war, dass er auch so überführt werden würde.

udem sei Farshid A. wegen Körperverletzung einschlägig vorbestraft. Und: "Das Opfer ist schwer traumatisiert. Sie mag es ihm verziehen haben, aber die Traumaaufarbeitung ist noch nicht erfolgt. Sie leidet unter Atemnot und Herzbeschwerden, wenn sie die Tat schildern soll."

Beim Plädoyer des Staatsanwalts atmet die 39-Jährige einmal laut aus. Als er die Höhe des Strafmaßes nennt. Für gefährliche Körperverletzung sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren vor.

Die Verteidigerin des 42-jährigen Osterathers bat in ihrem Plädoyer um "ein mildes Urteil". Die Lebensgefährtin, die zuvor als Prostituierte gearbeitet hatte, habe ihren Mandanten am Tattag provoziert und beleidigt. Der kaufmännische Angestellte könne ihr nicht den adäquaten Lebensstandard bieten, den sie erwarte. Er sei ein Versager.

"Das hat zu der spontanen Tat geführt. Es war eine Verkettung unglücklicher Umstände", erklärte die Verteidigerin. Ein Glied in der Kette: dass die Lebensgefährtin entgegen einer getroffenen Absprache weiter anschaffen ging. Ein anderes: dass der Angeklagte gerade mit einem antiken Messer Reparaturarbeiten am Rückspiegel seines Autos durchführte. Die Anwältin betonte, dass ihr Mandant die Tat habe zu Ende bringen können.Es wäre ein leichtes gewesen, der schwer verletzten Frau zu folgen. "Das hat er aber nicht getan." Ebensowenig habe er versucht, die Flucht zu ergreifen. "Er wusste, dass die Polizei kommen würde. Er hat sich aber seiner Verhaftung nicht entzogen und ein Geständnis abgelegt."

Die Schwurgerichtskammer würdigt in ihrer Urteilsbegründung ausdrücklich das Geständnis des 42-Jährigen. Als belastend führt der Richter die Schwere der Verletzungen und die, wenn auch geringfügige, Vorstrafe des Angeklagten an. Mit gesenktem Kopf hört Farshid A. zu — bis die Rede auf den Haftbefehl kommt. "Er wird außer Vollzug gesetzt, bis zum Antritt der Freiheitsstrafe", sagt der Richter. Da nimmt er Blickkontakt mit seiner Lebensgefährtin auf und schickt ihr den Kuss.

(RP/rl/top)
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