Meerbusch Senioren vermissen ihre Zivis

Meerbusch · Seitdem der Wehr- und Ersatzdienst abgeschafft wurde, haben auch die Einrichtungen in Meerbusch ein Problem. Denn es rücken keine Freiwilligen nach, die die Zivildienstleistenden eigentlich ersetzen sollten

 Liselotte Stricker lebt im Johanniter-Sift Büderich und freut sich noch immer über einen Besuch des ehemaligen Zivis Dennis Rosenau.

Liselotte Stricker lebt im Johanniter-Sift Büderich und freut sich noch immer über einen Besuch des ehemaligen Zivis Dennis Rosenau.

Foto: Boris Schmidt

Dennis Rosenau ist erst 24 Jahre alt, doch er ist ein Relikt aus einer längst vergessenen Zeit. Der Büdericher war einer der letzten Zivis in Meerbusch, absolvierte seinen Wehrersatzdienst im Johanniter-Stift. "In dieser Zeit habe ich herausgefunden, was ich beruflich einmal machen will", sagt er — und blieb der Einrichtung ab Oktober 2010 als Auszubildender in der Pflege erhalten.

Damit ist Dennis Rosenau eine Ausnahme, wie der stellvertretende Pflegedienstleiter des Johanniter-Stifts, Ulrich Villbrandt, betont. "Die Zivildienstleistenden fehlen massiv", sagt er. "Früher hatten wir immer zwei oder drei Zivis, heute beschäftigen wir nicht einmal einen Bufdi." Bufdi, das ist die geläufig gewordene Abkürzung für Menschen, die sich für den Bundesfreiwilligendienst entschieden haben. Dieser sollte nach dem Ende der Pflicht für den Wehr- und Ersatzdienst vor zwei Jahren dafür sorgen, dass die Einrichtungen nicht ohne Aushilfen dastehen.

Doch es kam anders. "Keiner aus meinem Bekanntenkreis hat Lust darauf", sagt Dennis Rosenau. "Der Dienst sei unattraktiv, man müsse viel arbeiten und bekäme wenig Geld, sagen sie." In der Tat ist die Bezahlung wenig verlockend: Maximal 336 Euro pro Monat dürfen Bufdis verdienen. Als Zivi kam man mit allen Zusatzleistungen wie Kleidergeld, Mobilitätszuschlag oder Verpflegungsgeld auf mindestens diesen Betrag, bei den meisten war es erheblich mehr.

Auch die anderen Einrichtungen in Meerbusch leiden unter dem Ende des Zivildienstes. Die Pflegedienstleiterin der Diakonie, Paula Antunes, musste eine Hauswirtschaftlerin einstellen, da kein Bufdi nachrückte. "Dadurch haben wir zwar eine feste Arbeitskraft hinzugewonnen, aber diese ist natürlich teurer", sagt sie. Weniger als an das finanzielle Ausmaß denkt sie aber an den prägenden Lebensabschnitt, der jungen Menschen nun fehlt. "Das war eine gute Erfahrung und ein wichtiger Einblick ins Berufsleben", sagt sie.

Im Seniorenzentrum Hildegundis von Meer gab es bis zu sieben Zivi-Stellen. "Seitdem aber der Zwang für diesen Dienst weg ist, sind die Leute mehr darauf bedacht, ihre Zeit nicht — wie sie es empfinden — zu verplempern, sondern nach der Schule direkt mit dem Studium oder der Ausbildung zu beginnen", sagt Pflegedienstleiterin Lydia Wisner. Derzeit gibt es zwei Bufdis in ihrem Seniorenheim, doch die Verträge laufen aus.

Neue Bewerber gibt es nicht. "Dadurch wird die Betreuung der Senioren eingeschränkt", sagt Lydia Wisner. So wurde der Fahrdienst reduziert, auch finden sich immer weniger Menschen, die mit den Senioren spazieren gehen, damit sie ab und zu aus der Einrichtung herauskommen. "Die jungen Leute haben immer frischen Wind in unser Haus gebracht", sagt Lydia Wisner. "Das fehlt."

Ulrich Villbrandt vom Johanniter-Stift betont, dass auch die Senioren die Zivis vermissen. "Den Bewohnern fehlen die jungen Gesichter", sagt er. "Das ist eine psychologische Komponente, die man nicht unterschätzen sollte." Dennis Rosenau erklärt, dass aber nicht nur die ältere Generation, sondern auch seine von den Einsätzen profitiert. "Ich habe einen ganz anderen Blickwinkel auf das Leben bekommen", sagt er. "In dieser Zeit bin ich erwachsener geworden, weil ich erstmals nach der Schule gelernt habe, Verantwortung zu übernehmen."

(RP/EW)
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