Meerbusch Wo Meerbuschs Künstler arbeiten

Meerbusch · Im Klärwerk, im früheren Jugendheim, im Atelier mit Rheinblick... Am Wochenende hatten die Meerbuscher Gelegenheit, die Arbeitsstätten von 38 Meerbuscher Künstlern aufzusuchen — und magische Orte kennen zu lernen

Meerbusch: Wo Meerbuschs Künstler arbeiten
Foto: In ihr filigranes Regal, entstanden aus PU-Schaum-Platten einer Baustelle, setzt sie die archaische Figur der "Schlafenden von Malta". RP-Fotos: Ulli Dackweiler

Ulrike Holthöfer ist eine Zauberin. Das trifft's deutlich besser als die Berufsbezeichnung Künstlerin. Aus einem alten Gartenschlauch zaubert sie ein Lampenobjekt. Die blauen Polyesterhaare einer Autowaschanlagenbürste verwandelt sie in einen krümelmonstermäßigen Sessel (zurzeit zu sehen in der Pinakothek der Moderne in München). Der Natur schlägt sie ein Schnippchen und macht Pflanzen mobil — in einem ausleihbaren Autoanhänger. Ihre eigenen künstlerischen Wurzeln berühren Joseph Beuys ebenso wie Leonardo da Vinci.

 Jutta Gerhold öffnete ihr Atelier in Langst-Kierst. Sie "malt alles, was ich sehe."

Jutta Gerhold öffnete ihr Atelier in Langst-Kierst. Sie "malt alles, was ich sehe."

Foto: Dackweiler, Ulli (ud)

Holthöfer ist eine der 28 Künstlerinnen und Künstler, die am Wochenende für Besucher ihre Ateliers öffneten, den Ort, an dem sie sich inspirieren lassen und an dem sich Ideen zu Werken materialisieren. Seit 1989 arbeitet die 53-Jährige im alten Klärwerk in Büderich. Beim Radfahren hatte sie das Gebäude entdeckt und mal bei der Stadt nachgefragt. Zum Glück standen ein paar Räume leer.

 Arno Mair-Grünklee stellte mit drei anderen Künstlern im Pappkarton aus .

Arno Mair-Grünklee stellte mit drei anderen Künstlern im Pappkarton aus .

Foto: Dackweiler, Ulli (ud)

Hier ersann sie ihre Ausstellung "Belebtschlamm", bei der sie die unsichtbaren Klärwerker namens Mikroben in zigtausendfacher Vergrößerung in Asphalt goss. Erst wanderte die Arbeit ins Kunstmuseum Düsseldorf, dann brachte sie das Asphaltband zur Kläranlage nach Ilverich, entwickelte es mit Unterstützung der Uni Aachen zu einer funktionierenden Pflanzenkläranlage weiter.

Holthöfer liebt Projekte wie dieses. Die Zauberkünstlerin macht dabei auch vor Menschen nicht halt. Die fußballbegeisterten Häftlinge der JVA Bochum verwandelte sie in Gärtner. Der Knast liegt gerade mal 500 Meter vom Stadion entfernt. Holthöfer legte im Freigang einen Kräutergarten in Fußballform an. "Das hat die Menschen verändert", sagt sie. Schüler der Oberkasseler Realschule verzauberte Holthöfer in Mitarbeiter ihrer "Creative Recycling Projects Company": Beim Sperrmüll suchten sich die Mädchen und Jungen ausgediente Stühle, Schränke, sogar eine Bar zusammen, gestalteten aus den Wegwerfmaterialien der Konsumgesellschaft ein Klassenzimmer, das so farbenfroh lebendig ist, dass es jeden Schulbürokraten den Angstschweiß auf die Stirn zaubert. Dafür gab's den Umweltpreis der Landeshauptstadt.

Von ihren Projekten erholt sich Holthöfer durch die Kunst. "Um Ruhe zu finden, male ich dann Aquarelle oder Temperabilder", sagt sie. Und dann geht die Frau, deren Lebenslauf sich liest wie eine Aneinanderreihung von Stipendien, Kunstpreisen und geförderten Projekten, frisch gestärkt das nächste Projekt an. Am radikalsten und konsequentesten dort, wo sie auch vor Verpackungsmüll aus dem Kunstbetrieb nicht zurückschreckt: Holzboxen zum Transport von Bildern aus dem Museum versah sie mit Asphalt-Intarsien, machte sie so selbst zu Kunstobjekten.

Einige Kilometer rheinaufwärts zieht Jutta Gerhold die Leinwand häufig selbst auf, grundiert und präpariert sie mit Acryl-Emulsion und einer Mischung aus Titan-Dioxyd und Champagner-Kreide: "Ich trage Farbschichten mehrfach auf. Deshalb würde die Farbe auf einer herkömmlichen Leinwand bröckeln." Mit fachkundigen Erklärungen bekamen die Besucher, die die "Arbeitsplatz Kunst"-Aktion nutzten, im Atelier der in Langst-Kierst lebenden Künstlerin Einblicke in ihre Arbeitsweise.

Der Grundstock für Jutta Gerholds Kunstschaffen wurde nach einer fotografischen Ausbildung und einem Philosophie-Studium bei Studiengängen der Malerei und Grafik gelegt. Sie malt "alles, was ich sehe", liebt den Einklang mit der Natur, das Wasser, den Himmel, die Farben und sagt: "Wir müssen uns mit 'Ausschnitten' unserer Lebenswelt befassen." Im Atelier mit Blick auf die Rheinlandschaft gibt es eine Reihe von ausdrucksstarken Bildern, die zeigen, was die Künstlerin damit meint.

Aber auch in der Ateliergemeinschaft "Pappkarton" gab es einiges zu sehen. "Wir sind bei jeder Kunstaktion dabei", erzählen Rosa und Jürgen Poor, Strümp, die mit dem Fahrrad gekommen waren. Sie und alle anderen Besucher hatten Gelegenheit, sich die in kräftigen Farben von Karin Schöllgen gemalten "Gegenstände des Alltags" und ihre persönliche Sichtweite auf Sessel, Schirme, Schuhe oder Taschen anzusehen. Zu den vier im "Pappkarton" ausstellenden Künstlern — sie sind alle wollen die Räume dort als Atelier mieten — gehört auch Erika Danes. Sie war in Kalifornien, hat viele Eindrücke mitgebracht und zeigte einen Querschnitt ihrer Arbeiten. Das gilt auch für die Kunstpräsentation des Grafikers und Malers Helmut Krüger. Aquarelle, Zeichnungen, Lithographien, Serigraphien und Collagen zeigte er, darunter Landschaftsbilder mit ausgeprägten Licht- und Schatteneffekten aus Portugal. Arno Mair-Grüneklee sieht sich intensiv in den Straßen Duisburgs und seinem Wohnort Lank-Latum um, hält die Glocken- oder Alte Schulgasse künstlerisch fest. Für kleine Formate, 20x20 Zentimeter, nutzt der Grafik-Designer und Illustrator gern Old Holland, eine hochwertige Künstler-Ölfarbe, die das Motiv leuchten und strahlen lässt: "Davon würde ich gern täglich eins malen."

(RP)
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