Mettmann Das Ende des Hotel Vogel

Mettmann · Im Jahr 1975 rückte der Bagger in der Breite Straße an und riss das "Tönnchen" ab. Zum ersten Mal gingen Mettmanner auf die Straße und demonstrierten gegen den Abriss. Bürgermeisterin Ingrid Siebeke wollte ein Veto gegen den Ratsbeschluss einlegen, war aber erkrankt.

Als am Morgen des 4. September 1975 der Abrissbagger in der Breite Straße vor dem Hotel Vogel (auch liebevoll "Im Tönnchen" genannt) anrückte, formierte sich kurze Zeit später zum ersten Mal ein öffentlicher Widerstand in Mettmann gegen die damalige Abrisswut. Passanten blieben stehen und schimpften.

Doch das Aufbegehren war vergebens: Um 9 Uhr verwandelte der Bagger die Frontseite des Gebäudes in ein Staub- und Trümmermeer. Siebzehn Minuten später hatten sich die Greifarme des Baggers auch des besonders widerstandsfähigen Giebels bemächtigt. Um 10.03 Uhr riss der Bagger die altbergische Tönnchenfassade zu Boden. Bereits um 12 Uhr konnte der Verkehr wieder durch die Breite Straße fahren. Das Hotel Vogel war "Geschichte".

Horst G. Hütten hatte an diesem Tag den letzten Versuch unternommen, das Gasthaus vor der Abrissbirne zu retten. Doch vergebens. Der Rat war dem Verwaltungsvorschlag von Baudezernent Kurt Schielicke gefolgt und hatte den Abriss mit der an dieser Stelle besonders "dringenden Verkehrsnotwendigkeit" beschlossen.

Mit der Abbruchgenehmigung des Landeskonservators im Rücken (eine Entscheidung, die im Nachhinein als völlig unverständlich angesehen werden muss), blies Mettmanns Baudezernent zum "Durchmarsch" und der mit der "Niederlegung" beauftragte Bauführer sprach von einem "Rattenloch", das nur durch Nebengebäude vor der Gefahr des Einsturzes bewahrt worden sei.

Wie Heimatforscher Dr. Karl Klockenhoff damals in der Medamana schrieb, stammte das Vorgängerhaus vermutlich aus dem 14. Jahrhundert. Der Beginn der Gastlichkeit begann 1814. Theodor Schorn war damals im Mettmanner Adressbuch als Wirt eingetragen. Nach mehreren Eigentümerwechseln war es ab 1877 das Ehepaar Gustav und Maria Vogel, das das Haus führte. 1900 verpachtete Vogel das Hotel.

Das Hotel Vogel war Veranstaltungsstätte vieler Versammlungen, Stammtische und Vereine. Krieger- und Landwehrverein holten dort ihre Fahnen ab. Die Fronleichnam-Prozession machte regelmäßig Station am Tönnchen. Auf der Freitreppe vor dem Hotel standen bei Veranstaltungen die Honoratioren der Stadt und nahmen die Parade ab.

Bürgermeisterin Ingrid Siebeke war 1975 gerade im Amt und hatte das Tun von Kurt Schielicke mit großem Misstrauen verfolgt. Denn der hatte auch erwogen, das "Türmchen" auf dem Markt "platt" zu machen. Wie Friedrich-Wilhelm Siebeke, der Ehemann von Ingrid Siebeke, unserer Zeitung mitteilt, demonstrierte Baudezernent Schielicke bei einer Besichtigung des Türmchens mit einem Stechen mittels Messer in das "morsche Mauerwerk" die Notwendigkeit des Abrisses. Ingrid Siebeke habe diese Demonstration als Sachbeschädigung bezeichnet und hielt den Abbruch-Befürwortern entgegen, dass das seit über zwei Jahrhunderten bestehende Mauerwerk bei fachgerechter Sanierung auch in Zukunft bestehen könne.

Der Abriss des Hotel Vogel, so Siebeke, habe für seine Frau ein Trauma ihrer Amtszeit dargestellt.

Zum fraglichen Zeitpunkt habe sie längere Zeit mit einer schweren Erkrankung im Mettmanner Katholischen Krankenhaus gelegen. Dadurch sei sie nicht in der Lage gewesen, ein Veto gegen den damaligen Ratsbeschluss einzulegen.

(RP/rl)
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