Heiligenhaus Eine Zeitreise auf der alten Eisenbahnstrecke

Heiligenhaus · Seit zwei Jahren existiert der Panoramaradweg Niederbergbahn. Nur wenige erinnern sich daran, dass dort über Jahrzehnte die Eisenbahn von Velbert via Heiligenhaus bis Kettwig fuhr.

"Der Bau dieses Verkehrsweges war eine langwierige und besonders für die Gemeinde Heiligenhaus kostspielige Angelegenheit", erzählt Stadtarchivar Hartmut Nolte, der die Geschichte akribisch erforschte. In den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts mussten sich Bevölkerung und Wirtschaft mit einer Schmalspurbahn begnügen, bestehend aus einer Dampflock mit Personen- und Güterwaggons. Ruckelnd und schunkelnd, Funken sprühend fuhr der "Feurige Elias" oder "Püffer", wie er von den Einheimischen genannt wurde, durch die engen Straßen nach Hösel.

 Der Bahnhof heute mit dem Gelände des in Umgestaltung befindlichen Güterbahnhofs dahinter.

Der Bahnhof heute mit dem Gelände des in Umgestaltung befindlichen Güterbahnhofs dahinter.

Foto: A. Blazy

Mit dem Einmarsch der Franzosen 1923 kam das Aus, die elektrifizierte Strecke nach Velbert existierte bis 1952. Für die heimische Wirtschaft und ihre Exporte war ein Schienenverkehrsnetz dringend erforderlich. Erste Bemühungen um den Bau gab es bereits 1906, aber erst am 24. Juli 1926 konnte der Schienenweg eingeweiht werden. Für die Zentren der Schloss- und Beschlägeindustrie im Niederbergischen wurde das Gros des Roheisens im Duisburger Hafen auf die Eisenbahn verladen, dann unter Inkaufnahme von Umwegen nach Velbert und Heiligenhaus per Lkw angeliefert. Kürzere Transportwege waren für die Industrie also dringend erforderlich.

Im Frühjahr 1908 lagen erste konkrete Pläne für ein Schienennetz vor. Querelen um den Streckenverlauf auf Velberter Gebiet hemmten die zügige Realisierung bis 1911. Im Mai 1912 genehmigte der Landtag dann die Pläne, noch im gleichen Monat erteilte das Preußische Herrenhaus seine Zustimmung zum Bau der Staatsbahnstrecke. Der erste Spatenstich erfolgte im Juni 1913 auf Velberter Gebiet.

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs war der zweite Bauabschnitt von Velbert bis westlich des Bahnhofes Heiligenhaus erst zur Hälfte fertig, 1916 mussten die Bauarbeiten durch Mangel an qualifizierten Kräften, die sich im Kriegseinsatz befanden, und durch Fehlen von Baustoff vollständig eingestellt werden. Den langsamen Weiterbau nach 1918 sah die Industrie als Gefahr für ihre eigene Existenz. Es ist überliefert, dass der Heiligenhauser Fabrikant Fritz Kiekert auf einer Kundgebung im November 1922 in Düsseldorf ein düsteres Bild von der Entwicklung der heimischen Industrie machte. Sollte die erst zu drei Vierteln fertiggestellte Bahnstrecke nicht zügig vollendet werden, müssten sich viele Firmen nach einem anderen Standort umsehen.

Die Besetzung des Ruhrgebietes durch die Franzosen 1923 erwies sich als erneutes stagnierendes Hemmnis für den Bau, und erst am 1. April 1925 folgte die offizielle Inbetriebnahme für den Personen- und Güterverkehr. Für seine herausragenden Verdienste um den Bau der Bahntrasse wurde Bürgermeister Scheiper im Juli 1926 die Ehrenbürgerschaft der Stadt verliehen. Ihm war durch eine intensive Sponsorensuche die Finanzierung des 1,6 Millionen Mark teuren letzten Bauabschnitts zu verdanken — der Reichbahn hatten damals die Mittel dazu gefehlt.

Die Reichsbahndirektion in Elberfeld erteilte die Genehmigung einer zweiten Haltestelle auf Heiligenhauser Gebiet in Isenbügel. Die vermuteten Bodenschätze von Kalk, Dolomit, Bleierz, Tonschiefer im südlichen Teil Isenbügels existierten in größerem Stil nicht. Die von den Protagonisten der eingleisigen Eisenbahnstrecke Velbert via Heiligenhaus nach Hösel erwünschte Bedeutung wurde während des Dritten Reiches forciert — als Zulieferstrecke für die Rüstungsindustrie und für die Beförderung von Arbeitskräften aus dem Ruhrgebiet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg ruhte auf der Strecke jeglicher Eisenbahnverkehr, er wurde erst 1951 wieder aufgenommen. Vermehrt fand der Gütertransport auf den Straßen durch Lkw statt.

So erfolgte die Stilllegung des Streckenabschnitts nach Kettwig 1960, die Einstellung des Personenverkehrs Richtung Velbert ebenfalls. Das Aus für den Stückgutverkehr folgte 1975 und die Schließung des Heiligenhauser Bahnhofes für die Annahme von Gepäck und Expressgut 1990.

Spätere Bemühungen um Wiederaufnahme des Verkehrsnetzes scheiterten. So dient die Bahntrasse heute den Wanderern und Radlern zur ungetrübten Freude.

(ror)
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