Ratingen Erfolgserlebnisse beim Kaffee

Ratingen · RP-Serie "Gegen das Vergessen": Der Name des Demenzcafés Herbstwind in Mitte soll die schönen Seiten der Jahreszeit widerspiegeln. Trotz der Anbindung an ein Seniorenheim soll es kein Angebot nur für die Bewohner sein.

 Im Demenzcafé "Herbstwind" im evangelischen Altenheim auf der Rosenstraße wurde gestern Musik gemacht. Renate Schnell, hauptamtliche Fachkraft, greift zu diesem Zweck selbst in die Saiten ihrer Gitarre.

Im Demenzcafé "Herbstwind" im evangelischen Altenheim auf der Rosenstraße wurde gestern Musik gemacht. Renate Schnell, hauptamtliche Fachkraft, greift zu diesem Zweck selbst in die Saiten ihrer Gitarre.

Foto: achim blazy

Als sich das Team vom Café Herbstwind vor mehr als vier Jahren Gedanken über den Namen ihres Demenzcafés machte, da fühlte es sich weniger durch trüb-graue Regentage inspiriert als vielmehr durch die Farbenpracht der Jahreszeit. "Der Wind trägt die bunten Blätter davon, aber der Baum selbst bleibt am Leben", erklärt Renate Schnell, die zuständige hauptamtliche Fachkraft.

"Es ist wie eine Metapher für den dementen Menschen: Die Veränderung ist sicht- und vor allem spürbar, aber der Mensch an sich existiert weiter." Wie bei anderen Demenzcafés auch haben sich ehrenamtliche Helfer fachlich fortbilden lassen, um jeden zweiten und vierten Dienstag im Monat mit Dementen zu arbeiten und den pflegenden Angehörigen Freiräume zu geben.

"Von ursprünglich Dreien, die den Kursus besucht haben, sind uns bis heute zwei Ehrenamtliche erhalten geblieben." Auch wenn "Herbstwind" in den Räumen des Alten- und Pflegeheims angeboten wird, so ist es dennoch unabhängig von den Angeboten der Einrichtung. "Alle Interessierten von außen sind bei uns willkommen, aber auch unsere Bewohner nehmen das Angebot an." Und das ist erst seit Anfang 2012 möglich. Bis zum Ende des vergangenen Jahres wurde das Café im Seniorentreff Ost angeboten. Organisatorische Veränderungen dort erforderten die Suche nach einer neuen Örtlichkeit.

Zurzeit treffen sich rund zehn Personen, um gemeinsam zu singen, zu spielen, Kaffee zu trinken und in Erinnerungen zu schwelgen. Vergangene Zeiten holen demente Menschen gerne hervor. Das Erlernen oder Merken neuer Dinge hingegen fällt schwer. "Textsicherheit und Rhythmusgefühl sind oft besser als bei jüngeren Menschen", weiß Renate Schnell. "Das sind Erfolgserlebnisse im Gegensatz zur Alltagserfahrung, in der Demente oft nur feststellen, was alles nicht mehr geht." Das Demenz-Angebot in den Räumen ihres Arbeitgebers durchzuführen, sei ein Glücksfall. "Auf der einen Seite haben wir unseren Bewohnern eine neue Aktivität ermöglicht, anders herum laden wir Besucher von außen gerne zu Veranstaltungen wie Weihnachtsfeier oder Sommerfest ein."

Zwar sind die Kapazitäten eines Demenzcafés durchaus begrenzt, aber Plätze für neue Interessenten stehen fast immer zur Verfügung. "Zum einen sind wir noch nicht ganz ausgelastet, zum anderen gibt es in der Zielgruppe nun mal Faktoren wie den Tod oder wegfallende Mobilität." In den Seniorenheimen ist die zunehmende Anzahl Demenzkranker schon jetzt deutlich zu spüren. Rund 70 Prozent der Bewohner in der Rosenstraße sind betroffen, wie Heimleiterin Ingrid Reljic zu berichten weiß. "In den kommenden 20 bis 30 Jahren wird das zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe", sagt sie. "Die Veränderungen im Alter können dann nicht mehr allein durch stationäre Einrichtungen aufgefangen werden."

Mit dem Trend "ambulant vor stationär" versucht die Gesundheitswirtschaft schon jetzt, andere Strukturen zu schaffen. Der Wunsch vieler Senioren, möglichst lange zu Hause und selbstständig zu leben, kommt dem entgegen. Die Pflege durch Angehörige wird langfristig ein Lösungsweg sein.

(RP)
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