Heiligenhaus Museum erinnert an verbrannte Bücher

Heiligenhaus · Reinhard Schneider trägt eine Ausstellung zum Nazi-Terror gegen Schriftsteller nach der Machtübernahme zusammen.

 Ein Teil der ausgestellten Werke stammt aus den Privatbeständen des Museums-Kustos Reinhard Schneider.

Ein Teil der ausgestellten Werke stammt aus den Privatbeständen des Museums-Kustos Reinhard Schneider.

Foto: Achim Blazy

"Es geht um einen dunklen Teil der deutschen Geschichte. Es geht um Autoren, die es verdienen, gelesen oder wiedergelesen zu werden." Diesem Gedanken hängt Museumskustos Reinhard Schneider nicht nur theoretisch nach. Im Museum Abtsküche gestaltet er eine Ausstellung zum Gedenken an den 80. Jahrestag der Bücherverbrennung durch Nazischergen im Mai 1933.

 Reinhard Schneider interessiert sich seit Jahrzehnten für die Biografien und Werke der verbrannten Dichter.

Reinhard Schneider interessiert sich seit Jahrzehnten für die Biografien und Werke der verbrannten Dichter.

Foto: Blazy, Achim (abz)

Zu finden ist zum Einen die Heiligenhauser Büchereigeschichte. Der barbarische Akt der Bücherverbrennungen hatte unmittelbare, weitreichende Folgen. "In den Berichtsjahren mußte die Volksbücherei in ihren Buchbeständen eine grundsätzliche Wandlung vornehmen.

Es war selbstverständlich, dass dem Gedankengut der Nationalsozialistischen Erhebung auch im deutschen Buch eine entsprechende Würdigung zu verschaffen war." So steht es im Verwaltungsbericht der Bücherei Heiligenhaus für die Jahre 1933 und 1934. Daneben hat Schneider ein kleines Regal platziert ("aus Beständen der alten Bücherei").

Darin sind Beispiele für exakt die Literatur gesammelt, die der Verwaltungsbericht dem damals neuen Zeitgeist zuschreibt, den der Journalist und Schriftsteller Kurt Tucholsky, aufs Literarische bezogen, als "Alpenrausch und Edelweiß" verspottete. Sein Verdikt: "Niveau null." Tucholskys Werke landeten im Mai 1933 ebenfalls auf den brennenden Bücherstapeln. Eine Auswahl der Titel, die für die neue Zeit stehen sollten, weist aber in eine ganz andere Richtung: "Lachendes Feldgrau", "Unterseeboot Ganymed", "Unsere neuen Zerstörer" oder "Lehrbuch der Rassenkunde, Vererbungslehre und Rassenpflege" von Prof. Dr. Otto Steche. Zu finden ist aber auch die Gegenwelt.

Die Lebenswelten der verbrannten Dichter und ihre Werke. Ein Thema, das Schneider selbst seit Jahrzehnten fasziniert. "Meine Frau und ich haben in den Siebziger Jahren erst eine Artikelserie über Dichter gelesen, deren Werke dem Naziterror zum Opfer fielen", sagt er. In dieser Zeit begann er auch, Werke dieser Dichter zu lesen — und zu sammeln. Wobei er den Schwerpunkt auf "Lesen" legt. Nichts gegen wertvolle Erstausgaben — von denen er selbst inzwischen eine ganze Anzahl besitzt und jetzt ausstellt. "Aber es geht mir nicht hauptsächlich um teure Anschaffungen", wie er sagt.

Autorenbiografien interessieren ihn in diesem Zusammenhang ebenso: "Erich Kästner hat die Verbrennung eigener Bücher mit angesehen — und blieb dennoch in Deutschland, schrieb Drehbücher für Unterhaltungsfilme." Auf der anderen Seite bleibt die Erinnerung an die Autoren, die angesichts des Naziterrors ihrem Leben selbst ein Ende setzten, wie Stefan Zweig, Egon Friedell, Walter Benjamin, Kurt Tucholsky.

Nachzulesen sind in den sorgsam aufbereiteten Begleittexten neben Listen von Bestsellern und ihren Werken im Jahr 1933 auch weitere regionalgeschichtliche Einzelheiten. Wie der Zeitungsbericht über den Tag der Bücherverbrennung in der Stadt Haan: "Hitlerjugend gegen Schund und Schmutz", hieß es am 16. Juni 1933 im rheinischen Volksblatt. Sie habe auf dem Marktplatz "einen Scheiterhaufen errichtet, um hier die Bücher, die sie für Gift hält, zu verbrennen". "Auf dem Marktplatz hatten sich "etwa 2500 bis 3000 Menschen" eingefunden.

(RP/rl)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort