Ratingen Sieg der flinken Finger

Düsseldorf · Seltenes Fachpublikum begrüßte gestern das Team im Rheinischen Industriemuseum Cromford: Die Mitglieder der Handspinngilde waren zu Besuch und traten an zum Wettbewerb Mensch gegen Maschine.

Irgendwie hatten Claudia Gottfried, die stellvertretende Leiterin des Industriemuseums, und Hausmeister Ralf Kluczka es geahnt: Die gute alte Waterframe hatte von Beginn an keine Chance gegen die flinken Finger der Expertinnen. Zur Premiere eines ungewöhnlichen Wettbewerbs hatten sich gestern gut drei Dutzend Mitglieder der Handspinngilde am historischen Ort der Brügelmannschen Baumwollspinnerei eingefunden: Mensch gegen Maschine nannten sie den nicht ganz ernst gemeinten Wettstreit.

Spezialistin aus England

Schon als die vier ausgewählten Expertinnen des Vereins routiniert und locker ihre ganz unterschiedlichen Exemplare von Spinnrädern aufbauten, schwante Claudia Gottfried eine Niederlage: "Wir haben hier nicht die Temperatur wie vor 200 Jahren." Bei der viel zu trockenen Luft reiße die kurzfaserige Baumwolle sehr leicht. Uta Bönisch, Christiane Keindel, Andrea Riebe und Tine Woodwine — ausgewiesene Expertin für Baumwoll-Spinnerei und extra aus England eingeflogen — focht das nicht an.

"Auf die Plätze — fertig — los!" hieß es um kurz vor 16 Uhr — schon 60 Sekunden später zeichnete sich ab: Die Damen hatten den Faden vorn. Eine nach der anderen der Maschinenspulen — Kluczka hatte vorsorglich sogar zwölf von 98 vorbereitet — kapitulierte vor dem Geschick der Handarbeit.

Während die Wolle wie am Schnürchen geschmeidig durch die Hände der Kandidatinnen floss, mühten sich Ralf Kluczka und Kollegin Christel Grunwald damit ab, die an der Maschine ständig reißenden Baumwollfasern immer wieder neu in die Spulen zu winden. Das kostete wertvolle Zeit, die nicht mehr aufzuholen war, was die munter scherzenden und plaudernden Spinnerinnen amüsiert zur Kenntnis nahmen.

Freilich nahm das Museumsteam die Niederlage mit Humor. Und das, obwohl das Ergebnis auch in harten Fakten mehr als eindeutig ausfiel: Am Ende hatten die flinken Spinnerinnen zwischen 22 und 68 Meter Faden gesponnen, die Waterframe brachte es auf ganze zehn Meter.

"Für uns war das ein ganz besonderer Tag", sagte Barbara Aufenanger. Sie ist Gründungsmitglied der Handspinngilde. Aus ganz Deutschland kommen deren Mitglieder einmal im Jahr zu ihrer Tagung zusammen, in deren Rahmen auch der gestrige Besuch des Industriemuseums fiel. Das erklärte Ziel der Mitglieder ist der Erhalt des historischen Handwerks in Gegenwart und Zukunft. Gestern jedenfalls gelang dies mühelos.

(RP)
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