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Erschreckender Bericht der Expertengruppe In der JVA Bochum bringen Friseure die Drogen

Düsseldorf · Nach der Pannen-Serie in der JVA-Bochum hat eine Expertengruppe einen Bericht zur Sicherheit der Anstalt erstellt. Die Expertise, die unserer Zeitung vorliegt, kommt zu einem erschreckenden Ergebnis. Ausbrüche seien mit wenig Aufwand möglich und nur eine Frage der Zeit, heißt es darin.

2012: Polizei sucht Häftling aus JVA Bochum
7 Bilder

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Der Bericht wurde von sechs Experten aus dem Strafvollzug in NRW verfasst. Sie waren von NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) beauftragt worden, die Sicherheitsmängel in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bochum zu untersuchen. Zwei Häftlingen war Anfang des Jahres die Flucht gelungen. Jetzt liegt die Analyse der Sicherheitsmängel vor. Die Experten kommen zu einer besorgniserregenden Einschätzung. Es sei derzeit möglich, mit "einfachen Hilfsmitteln und sportlicher Geschicklichkeit" aus der JVA zu entfliehen. Die "baulichen Gegebenheiten" ließen "einige Ausbruchsoptionen" offen.

Die Haftanstalt in Bochum wurde bereits 1897 als "Königlich-Preußisches-Centralgefängnis" in Betrieb genommen. Ein Haftgebäude ist Teil der Umwehrung. Dies sei eine besondere Gefahrenquelle, heißt es. Im baulich-technischen Bereich seien die Sicherheitsstandards nicht mehr zeitgemäß. Ein Gefangener aus Polen hatte aus einem ungesicherten Dachfenster entkommen können.

"Gezielte Schussabgabe" unmöglich

Andere Sicherheitsprobleme haben anscheinend nichts mit dem betagten Gemäuer zu tun. So erwecken die fünf Aufsichtskanzeln in der Außenmauer einen modernen Eindruck, doch offenbar weisen auch sie Mängel auf. Die "Konstruktion der Schießklappen" mache in einer Notsituation eine "gezielte Schussabgabe" unmöglich. Es bestehe zu großen Teilen weder eine freie Sicht durch das Zielfernrohr, noch könne der "Waffenlauf uneingeschränkt in der Klappe bewegt werden".

Zu den Mängeln, die der Bericht auflistet, gehört auch der Umfang der Videoüberwachung. Während die Außenbereiche der neuen JVA in Düsseldorf von 142 Kameras beobachtet würden, könnten die Frei- und Fassadenflächen der JVA Bochum "derzeit nicht bildüberwacht" werden. Defizite haben die Experten auch bei Fahrzeugkontrollen erkannt. Sie würden häufig nicht in der vorgeschriebenen Weise mit Spiegeln untersucht.

Als Sicherheitsrisiko wird auch die Besuchsabwicklung in der JVA bewertet. Dabei gäbe es "vielfältige Möglichkeiten, Drogen, Handys und Bargeld in die Anstalt einzuschleusen".

Den Bediensteten stellen die Experten kein gutes Zeugnis aus. Sie gingen oft zu lax mit möglichen Gefahren um. "So wurden bei einer Begehung Eisenstangen sichergestellt (...) und ungesicherte oder nur unzureichend gesicherte Leitern gefunden", heißt es in dem Bericht. Bei den Ausbrüchen "spielte die fehlende ständige und unmittelbare Beaufsichtigung eine miteinscheidende Rolle".

"Subkultur in der Anstalt"

Strukturelle Risiken wurden offenbar nicht abgestellt. "Die als Friseure eingesetzten Gefangenen bewegen sich in großen Teilen unbeaufsichtigt durch die Anstalt", berichten die Experten. Gerade sie würden jedoch die "Subkultur in der Anstalt" organisieren und für die Verteilung von Handys und Rauschgift sorgen.

Justizminister Kutschaty erklärte auf Anfrage, er habe angeordnet, dass die Zustände in der JVA Bochum schonungslos aufgeklärt würden. "Die Empfehlungen der Expertenkommission sind zum Teil schon umgesetzt worden, teilweise dauert die Umsetzung noch an", sagte der SPD-Politiker. Der Erfolg dieser Maßnahmen sei offensichtlich. "Denn seit Monaten ist wieder Ruhe in der Anstalt eingekehrt", sagte Kutschaty.

Die Sicherheit der Bevölkerung stehe weiterhin an erster Stelle. Zugleich hieß es im Ministerium, es existierten mehrere Versionen der Expertise. Einzelheiten konnten auf Anfrage nicht genannt werden. Dagmar Hanses, Justizexpertin der Grünen, sagte, man werde den Bericht "sehr genau prüfen und auswerten".

Peter Biesenbach, Rechtsexperte der Union und Schattenminister der CDU für das Justizressort, attackierte die rot-grüne Landesregierung. "Der Bericht zeigt, dass das Justizministerium seiner Aufsichtspflicht nicht nachgekommen ist", sagte Biesenbach. Dies sei "erschreckend". Der Sicherheitsabteilung hätten die eklatanten Mängel auffallen müssen. Es stehe zu befürchtet, dass die Kontrollen auch in anderen Haftanstalten "nachlässig" durchgeführt worden seien.

Minister Kutschaty hatte nach der Pannenserie den damaligen Anstaltsleiter vom Dienst suspendiert. Friedhelm Sanker, Vize-Landeschef des Bundes der Strafvollzugsbediensteten, kritisierte, die Entscheidung sei politisch motiviert gewesen. Auch in anderen Haftanstalten, die im vergangenen Jahrhundert errichtet worden seien, gebe es Sicherheitsmängel.

(RP/top/csi)
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