NRW Jetzt droht eine Waschbären-Plage

NRW · Höxter/Mönchengladbach (RP). In Hessen, vor allem in Kassel, sind sie seit Jahren eine Plage. Nun werden die nachtaktiven Raubtiere auch immer häufiger in der Region an Rhein und Ruhr gesichtet. Sie siedeln sich gern in Städten an, verursachen große Schäden an Gebäuden und können Krankheiten beim Menschen verursachen.

 Waschbären sollen im Wildpark künftig öfter zu sehen sein.

Waschbären sollen im Wildpark künftig öfter zu sehen sein.

Foto: ddp

Sie kommen nachts, klettern an Regenfallrohren hoch, steigen über den Kamin ins Haus ein, zwängen sich durch Schlitze zwischen Dachziegeln. Die Eindringlinge sind keine an Fassaden empor kletternde Diebe — es sind Waschbären. Sie stehlen nichts, können aber an den Gebäuden hohe Schäden verursachen und gefährliche Krankheiten auf den Menschen übertragen.

In Deutschland gibt es Waschbären erst seit den 1930er Jahren. Sie stammen aus Nordamerika. Eine Population bildete sich in Brandenburg, nachdem einige Tiere 1945 aus einer Pelzfarm ausgebrochen waren. Auch in Hessen verbreiteten sich Waschbären. Dort sollen sie in den 30er Jahren vom nationalsozialistischen Reichsmarschall Hermann Göring ausgesetzt worden sein, der neues Jagdwild wollte.

Da die Tiere in Europa kaum natürliche Feinde haben, vermehrten sie sich rasch. 500 000 sollen es inzwischen sein. Die Jagdstatistik belegt ihre starke Vermehrung. Wurden im Jagdjahr 2000/01 noch 9064 Waschbären erlegt, so waren es 2008/09 bereits 54 790. Auch in NRW wurden die Tiere gesichtet.

Die hessische Stadt Kassel gilt als "europäische Hauptstadt der Waschbären". Experten schätzen, dass Tausende dort leben. In Kassel wird Jagdaufseher Frank Becker von Bürgern zu Hilfe gerufen, bei denen Waschbären einfallen. Die Liste der Schäden, die die Tiere anrichten, ist lang. Sie rücken Ziegel beiseite, um unters Dach zu gelangen — Folge sind kostspielige Wasserschäden. Sie zerstören Dämmungen. "Das kann eine saftige fünfstellige Summe kosten", berichtet Frank Becker. Auch Elektrokabel sind vor den Tieren nicht sicher. "Theoretisch können sie sogar Brände auslösen", sagt Becker.

Ärzte warnen ebenso vor Gefahren: Im Kot der Waschbären können Spulwürmer sein. An der Uni Gießen ist der Fall einer Patientin bekannt, die erblindete, weil eine Larve bis ins Auge wanderte. In den USA sollen Hunderte solcher Fälle bekannt sein. Laut Experten können die Würmer auch im Gehirn irreparable Schäden anrichten.

Eine Bejagung macht laut Frank Becker nur kurzfristig Sinn, da die Tiere mit verstärkter Nachwuchs-Produktion reagieren. Inzwischen ist er zum Experten für Schutzmaßnahmen geworden. "Jedes Haus kann waschbärsicher gemacht werden — es ist nur eine Frage des Aufwandes." Am effektivsten sei ein Elektrozaun, der die Eindringlinge mit Stromschlägen wie bei einem Weidezaun vertreibe.

Kunden hat der Fachmann längst nicht nur in seiner Heimatstadt. Kürzlich installierte er einen Elektrozaun in Mönchengladbach. Dort, so schätzt Alfred Schneider vom Nabu, gibt es 60 bis 80 Waschbären. In Neuss wurde ein Exemplar in einer Tiefgarage gesehen, in Düsseldorf mitten in der City. Spuren der Tiere entdeckte auch Karl August Niepenberg, Revierinhaber im Kreis Mettmann. Wolfgang Rösler von der Kreisjägerschaft in Mönchengladbach ist sicher: "Es ist absehbar, wann die Invasion der Waschbären auch in unserer Region zum echten Problem wird."

Was dann droht, muss Thomas Breker (41) aus Brakel-Auenhausen im Kreis Höxter — dort leben etwa 50 Prozent aller Waschbären in NRW — seit vier Jahren fast Nacht für Nacht erleiden. "Wenn man bis 23, 24 Uhr nicht eingeschlafen ist, ist an Schlaf nicht mehr zu denken", berichtet der 41-Jährige. Vier Waschbär-Pärchen mit etwa je vier Jungtieren quartieren sich auf seinem Dachboden Jahr für Jahr ein. Spätestens gegen ein Uhr werden sie aktiv: Lautes Kreischen, nervende Kratzgeräusche bis zum Morgen. Unterm Dach verrichten die Tiere auch ihr Geschäft. Im Garten ist keine Pflanze vor ihnen sicher. "Das ist der Wahnsinn", meint der verzweifelte Hausbesitzer.

Lange hat der 41-Jährige das Treiben der Tiere tatenlos erduldet. Nun hat er Kontakt mit der Kreisjägerschaft aufgenommen. Einfach gefallen ist Thomas Breker dieser Schritt nicht. "Das Schlimme ist, dass die Waschbären unheimlich freundlich wirken und total putzige Knuddeltiere sind, denen man eigentlich nichts antun kann. Aber so kann es nicht weitergehen."

(RP)
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