Vierter Blitz-Marathon in NRW Opposition: "Polizisten werden als Statisten missbraucht"

Düsseldorf · Viele Autofahrer hatten sich offenbar auf den Blitz-Marathon am Dienstag vorbereitet. Die Menschen hielten sich meist an die Geschwindigkeitsbegrenzungen. Die Landesopposition kritisiert die Aktion des SPD-Innenministers Ralf Jäger scharf.

Blitz-Marathon in Duisburg: Polizei setzt neue Technik ein
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Beim vierten "Blitz-Marathon" am Dienstag haben 3500 Polizisten an 3000 Stellen in NRW das Tempo der Autofahrer kontrolliert. Verstärkt wurden Sie von rund 270 Mitarbeitern von 86 Kommunen. Unter dem Motto "Brems Dich — rette Leben!" hielten die Beamten erstmals verstärkt ein Auge auf Fahrradfahrer.

Anlass war die gestiegene Zahl tödlich verunglückter Radler. Im vergangenen Jahr starben 17 Prozent Radfahrer mehr, insgesamt waren es 81 Personen. Die Polizei wollte bei den Kontrollen sowohl rücksichtloses Verhalten von Autofahrern gegenüber Radlern, als auch Verstöße von Radfahrern selbst ahnden.

Polizisten als Statisten missbraucht

Die Landtagsopposition ließ dennoch kein gutes Haar an der Aktion: "Es ist absurd, dass der Innenminister für seine PR-Zwecke 3500 Polizisten als Statisten missbraucht", warf ihm der innenpolitische Sprecher der FDP, Robert Orth, vor. Der Kräfteeinsatz des Ministers sei unverantwortlich: "Die klassische Polizeiarbeit leidet unter seiner Selbstinszenierung."

Schon am Montag war der Blitz-Marathon auf harte Kritik gestoßen. Eine Sprecherin des VCD hatte am Montag unterstellt, dass das Vorgehen zu keinen langfristigen Erfolgen führen würde. Die Autofahrer würden nur an diesem einen Tag vorsichtiger fahren. Tempoverstöße deutlich gestiegen "Wir kontrollieren auch an den restlichen Tagen des Jahres stärker als früher", entgegnete ein Ministeriumssprecher am Dienstagmorgen in Neuss. Dort hatte der Innenminister eine der Messstellen besucht.

Die Zahl der von der Polizei festgestellten Tempoverstöße in NRW sei im vergangenen Jahr auf 1,66 Millionen deutlich gestiegen. Außerdem sei die Zahl der Verkehrstoten weiter zurückgegangen. Nach dem Rückgang im vergangenen Jahr sei in den ersten vier Monaten dieses Jahres ein weiterer Rückgang um 22 Prozent zu verzeichnen. Dies seien 36 Todesopfer weniger als im Vorjahr.

Kritiker hatten angemerkt, dass die Zahl der Verkehrstoten bundesweit zurückgegangen sei, also auch in Ländern ohne Blitz-Marathon. "Wir haben aber einen überdurchschnittlichen Rückgang von tödlichen Unfällen mit zu hoher Geschwindigkeit als Ursache", sagte hingegen ein Ministeriumssprecher. Im Jahr 2012 hatte sich die Zahl der im Straßenverkehr Getöteten in NRW um 17 Prozent auf 528 verringert. "Wir sind davon überzeugt, dass wir mit unserer Strategie auf dem richtigen Weg sind. Das zeigen die Zahlen", sagte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD).

Blitzen in beide Fahrtrichtungen

Die Polizei setzte beim Blitz-Marathon auch neue Technik ein: Mit dem "ESO 3.0" kann nicht nur in beide Fahrtrichtungen geblitzt werden, auch Motorradfahrer werden damit erfasst - und zum Teil sogar durch das Visier kenntlich abgebildet.

Auch bei diesem Blitz-Marathon gab es einige kuriose Fälle. Die Polizei Köln/Leverkusen berichtete so, dass ein Taxifahrer auf dem Weg zum Flughafen geblitzt wurde - obwohl er am Amaturenbrett einen großen Hinweis kleben hatte "Achtung, heute Blitz-Marathon". Ein anderer Autofahrer hatte sein neues Auto erst am Montag abgeholt und auf der Autobahn den Tempomat eingestellt - das Abschalten in der Stadt mit erlaubten 80 km/h dann aber vergessen.

Auf der A1 vor dem Tunnel Lövenich raste ein 70-Jähriger aus Unna mit 161 km/h in eine Kontrolle, dort gilt Tempo 100. Am Abend nahm die Polizei in Köln an sieben Biergärten betrunkene Radfahrer ins Visier.

In Hattingen war ein 41-jähriger Motorradfahrer in einer 20er-Zone mit
gemessenen 120 km/h so schnell unterwegs, dass ein nachfahrender Polizist
mit einem Videomotorrad die Verfolgung abbrach. Der Fahrer wurde
über das Kennzeichen ermittelt. Er bekommt eine Strafanzeige wegen Gefährdung des Straßenverkehrs.

In Düsseldorf mussten vor allem sogenannte "Geisterradler", die entgegen der Fahrtrichtung unterwegs waren, ermahnt werden. Zudem trugen viele Radler verbotenerweise Kopfhörer in beiden Ohren — eine Tatsache, die die Wahrnehmung auf dem Rad extrem einschränkt. Ein besonders kurioser Fall ereignete sich in Krefeld: Dort wurde ein Fahrradfahrer angehalten, der mit einem Tablet-PC in der Hand unterwegs war.

Im Kreis Mettmann waren über 300 Autofahrer zu schnell unterwegs. Unrühmlicher Spitzenreiter: Ein Fahrer, der mit 60 km/h durch die 30-er Zone raste.

Eine Mönchengladbacherin Autofahrerin hat es ebenfalls erwischt: mit 45 Stundenkilometern in der 30er-Zone muss sie 25 Euro zahlen. "Dass hier auch noch 30 ist, war mir nicht bewusst", gibt sie zu. Einige Beobachtungsposten gaben auch Handy- und Gurtverstöße durch. Zehn Euro kostete es einen Leverkusener, dass er den Gegenverkehr mit einer Lichthupe gewarnt hatte.

Mit Tempo 100 durch die Stadt

In Gelsenkirchen überschritten gleich drei Autofahrer in einer 50er-Zone die erlaubte Geschwindigkeit um mehr als das Doppelte. Sie rasten mit jeweils 101, 103 und 105 km/h durch die Lichtsensoren, wie das Verkehrsministerium mitteilt.. Allen dreien droht ein dreimonatiges Fahrverbot, vier Punkte in Flensburg und mindestens 480 Euro Geldbuße.

In Erwitte wurde auf einer Bundesstraße ein Autofahrer mit 151 Stundenkilometer gemessen. Zulässig waren dort 100 km/h. Der junge Mann war nach eigenen Angaben auf dem Weg zur Berufskraftfahrerausbildung. Seinen Führerschein auf Probe wird er erst einmal abgeben müssen.

"Es wird weniger gerast"

Der Großteil der Autofahrer war jedoch auf den Blitz-Marathon vorbereitet. Gerade deshalb zeigte sich Rainer Schaepkens, Ensatzleiter der Polizei in Viersen, verärgert über Temposünder: "Es wird weniger gerast als üblich. Und doch ist es erschreckend und überraschend, wie viele Verkehrsteilnehmer immer noch zu schnell unterwegs sind und das, obwohl die Polizei nicht nur den Blitzmarathon an sich, sondern auch zahlreiche Kontrollstellen zuvor angekündigt hat." In Viersen wurden bis zum Mittag 3000 Fahrzeuge gemessen, davon waren 176 zu schnell.

Die Polizei setzte für die Kontrolle von Autofahrern am Dienstag rund 140 Radar- und Lichtsensorenanlagen sowie mehr als 650 Lasermessgeräte ein. Auch das benachbarte Bundesland Niedersachsen prüfte am Dienstag verstärkt die Einhaltung der Tempolimits. Bayern hatte seine Teilnahme wegen der dortigen Hochwassersituation kurzfristig abgesagt.

(anch)
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