Die Schneekirche in Mitterfirmiansreut Die Besucher kommen mit Skistöcken

Mitterfirmiansreut · In der kleinen bayerischen Gemeinde Mitterfirmiansreut steht in diesem Winter eine Kirche nur aus Schnee. Die Einheimischen erinnern damit an eine Protestaktion ihrer Vorfahren. Der Besucherandrang ist groß.

Eine Kirche ganz aus Schnee
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Alles begann mit einer Protestaktion. Das Bistum war der Meinung, das Örtchen Mitterfirmiansreut an der tschechischen Grenze brauche keine eigene Kirche. So mussten die Bürger zum Gottesdienstbesuch stets die acht Kilometer nach Mauth zurücklegen. Zu Fuß.

Es gab keine Trampelpfade, und so kämpften sich die Dörfler im Winter zwei bis drei Stunden durch den Tiefschnee. "Teilweise konnten Tote nicht beerdigt werden", erzählt Christian Koch, Vorstandsmitglied des Fördervereins 100 Jahre Schneekirche Mitterfirmiansreut. "Sie wurden dann einfach auf dem Dachboden zwischengelagert, weil es dort kalt war."

Die Misere eskalierte an Weihnachten 1910. Die Mitterfirmiansreuter kamen nicht zur Heiligen Messe. Es war einfach zu gefährlich. So beschlossen sie, ihre eigene Kirche zu bauen. Mit dem, was im Bayerischen Wald zu genüge vorhanden ist: Schnee. Das ganze Dorf half mit. Die Dörfler bauten ein Holzgerüst und formten Blöcke aus Schnee, die sie dann aufeinanderschichteten. Acht Wochen dauerten die Bauarbeiten. Vorbild für das Konstrukt war der Passauer Dom.

Die Schneekirche wurde 14 Meter lang, 11 Meter breit und die zwei Türme 7 Meter hoch. "So war die Kirche ein Symbol des Protestes", erzählt Koch. Ein Passauer Reporter schoss am 29. März 1911 ein Foto, das in die Welt hinaus ging. Aus ganz Deutschland und sogar den USA kamen Spenden. "Die armen Bürger hatten nun endlich das Geld ihre eigene Kirche zu bauen", sagt Koch. 1923 wurde zuerst eine steinerne Schulkapelle errichtet, die bis 1932 zur heutigen St. Josef- Kirche erweitert wurde.

100 Jahre nach der Protestaktion haben die Nachfahren der damaligen Baumeister die Kirche wieder aufleben lassen. "Vor drei Jahren kam die Idee am Stammtisch im Wirtshaus auf", erinnert sich Koch. Schnell gründete sich ein Förderverein.

Entstanden ist etwas weltweit Einzigartiges. Die Schneekirche des Winters 2011/12 ist das einzige Gebäude aus Schnee, das ohne Tragwerk auskommt. Der Schnee hält in sich. Die Kirche ist der Form einer Schneewehe nachempfunden. Sie thront auf einem Hügel, über den damals auch die Mitterfirmiansreuter auf ihrem Weg nach Mauth gehen mussten.

Skistöcke als Mitbringsel

Es ist kalt, rutschig und steil. Die meisten Besucher haben in weiser Voraussicht Skistöcke mitgebracht. "Jetzt muss man sich mal vorstellen, wie das gewesen sein muss, hier in eisiger Kälte mit Holzschuhen hochzustapfen", sagt Koch.

Rund 1100 Kubikmeter Schnee formen sich zu einem beeindruckenden Kuppelbau. 26 Meter lang, 14 Meter breit. Der Turm ist 17 Meter hoch. Die aus Eis gebauten Eingänge schimmern bläulich im Sonnenlicht. Auch im Innenraum besteht alles aus Schnee und Eis. Die kleinen Eisbänke laden eher zum Schauen als zum Sitzen ein. Zwei Eisstufen führen am Ende des Kirchenschiffs zum Eisaltar. Das Kreuz ist ebenfalls aus Eis und wird mit kleinen weißen Lampen beleuchtet.

Die gewölbte Decke der Kirche scheint marmoriert. Der Schnee ist etwas schmutzig und erzeugt so einen besonderen Eindruck. Absicht war das allerdings nicht. Doch die Mitterfirmiansreuter hatten auch dieses Mal mit einigen Hindernissen zu kämpfen: Der Schnee blieb aus. Bei Baubeginn lagen nur 40 Zentimeter, daher die jetzt so anmutig erscheinende Verfärbung. Die Eröffnung musste um ein paar Tage verschoben werden.

Schon 10.000 Besucher

Zudem blieben die erhofften EU-Fördermittel aus. Aber das Projekt hat viele Leute in seinen Bann gezogen. So sind 70.000 Euro an Spenden eingegangen. Die Mitglieder des Vereins arbeiten alle ehrenamtlich und packen an, wo sie können. "Das Schönste war, als ich kurz nach der Eröffnung herkam, die Kirche blau erleuchtet, und ich zum ersten Mal die Glocken habe läuten hören", erzählt Koch und sein Gesicht spiegelt die Erleichterung nach all dem Stress wider.

Die Anstrengungen haben sich gelohnt. Rund 10.000 Menschen haben die Schneekirche in den ersten Wochen bereits besucht. "Ich bin beeindruckt über das Engagement der Menschen hier und über den Gedanken aus Schnee eine Kirche zu bauen. Nicht nur ein Iglu, sondern ein geistiges und spirituelles Zentrum", schwärmt Helga Grömer aus Tiefenbach bei Passau.

(dpa)
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