Ein Jahr nach Hurrikan "Sandy" Langsam kehrt die Normalität zurück

Seaside Heights · Vor einem Jahr tobt Hurrikan "Sandy" über den Osten der USA. Zahlreiche Menschen sterben, ein Milliardenschaden entsteht. Vieles ist inzwischen wieder aufgebaut. Doch der Wirbelsturm hat Spuren in den Herzen der Menschen hinterlassen. Überlebende berichten.

USA ein Jahr nach Hurrikan "Sandy"
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Foto: dpa, Emoke Bebiak

Manchmal würde Flo Birban ihr Haus am liebsten gar nicht mehr verlassen. So glücklich ist die ältere Dame darüber, dass sie ihr Zuhause zurück hat. Vor einem Jahr fegte Hurrikan "Sandy" mit seiner gewaltigen Zerstörungskraft über die Ostküste der USA - und traf auch ihr Haus in Seaside Heights, einem Ferienort an der Küste New Jerseys. Dort lebt Birban seit 1967.

Es ist der 29. Oktober 2012. Der Tag, an dem der Wirbelsturm die US-Küste erreicht. Birban streicht ihre Veranda. "Ich hatte keinerlei Absichten zu gehen", erinnert sie sich. "Doch dann sagte mein Nachbar: "Flo, ich werde dich mit Chloroform betäuben und hier wegbringen, wenn du nicht freiwillig gehst"." Also packte sie das Nötigste für eine Übernachtung und suchte Unterschlupf bei Bekannten in einem Nachbarort. Stunden, nachdem Birban Seaside Heights verlassen hatte, strömte das Wasser bereits durch die Straßen des kleinen Ortes. "Wenn ich daran denke, bekomme ich Alpträume", sagt sie heute. Erst nach zwei Wochen durfte Birban kurz zurück ihr Haus. Sie und ihr Mann hatten es einst zur Hochzeit geschenkt bekommen. Das Wasser stand gut 60 Zentimeter hoch. "Alles im Haus musste weg. Ich hatte nichts", erzählt sie. "Wir haben alle einfach nur geweint und geweint."

Die nächsten Monate pendelte Birban zwischen dem Haus ihres Bruders und ihrem eigenen. Nach und nach entsorgte sie alle Möbel und Erinnerungen und überwachte die Bauarbeiten. Wände mussten samt Elektrik ersetzt, die Böden sowie Küche und Bad komplett erneuert werden. Eine Hochwasserversicherung hatte Birban nicht. 29 000 Dollar (gut 21 000 Euro) Unterstützung bekam sie von der US-Regierung. Auch ihre Tochter half. "Das Geld, das ich hatte, habe ich verbraucht. Ich habe das Erbe meiner Kinder verwendet. Es ist nichts mehr da."

Im Sommer, rund acht Monate nach Hurrikan "Sandy", zog Birban wieder in ihr Haus. Nachbarn und Freunde sprächen von ihr als "Überlebenskünstlerin", erzählt sie. "Ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe, wirklich nicht. Ich musste es einfach schaffen. Und es gab nichts, das mich davon abhalten konnte." Birbans Haus ist eines von 346 000, die der Wirbelsturm allein im Bundesstaat New Jersey zerstört hatte. Landesweit wurde der Schaden auf 65 Milliarden Dollar geschätzt. Washington bewilligte 50 Milliarden Dollar Hilfsgelder für "Sandy"-Opfer.

Während die US-Regierung Privatleuten und Gemeinden finanziell unter die Arme griff, blieben Betriebe auf sich selbst gestellt. Allein in New Jersey fielen 19 000 Unternehmen "Sandy" zum Opfer. Wer keine Versicherung hatte, musste eigene Mittel aufbringen. So auch Wayne Cimorelli, Casino- und Restaurantbesitzer in Seaside Hights. 1,3 Millionen Dollar Schaden und Unmengen Sand hatte der Hurrikan hinterlassen. Sechs Monate und 600 000 Dollar Eigenkapital brauchte er für den Wiederaufbau, den Rest steuerte seine Versicherung bei. Es sei "brutal" gewesen, erinnert er sich.

Doch der vergangene Sommer brachte Lichtblicke. Viele Besucher seien angereist, um zu helfen. "Es war ein sehr nostalgischer, ein anderer Sommer als sonst", erzählt er. "Die Menschen haben mir für den Wiederaufbau gedankt. Das war ein eigenartiges Gefühl, denn wir sind Geschäftsleute, wir müssen wieder aufbauen." Der Immobilienmarkt erlebe derzeit eine Blüte, berichtet Maklerin Kim Valentini. Wer bereit sei, Arbeit reinzustecken, könne zu guten Preisen Häuser kaufen. Zwar sei der Abschied von der altbekannten Strandpromenade herzzerreißend gewesen. Doch sei sie neugierig, was die Zukunft für ihr Städtchen bereithalte. In Seaside Heights stehen eben alle Zeichen auf Neuanfang.

(dpa)
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