4000 Kilometer bis zur Krippe Vier Schweizer zu Fuß nach Bethlehem

Jericho · Ein letzter Blick vom Eingang des Wadi Qelt zurück nach Jericho. Die Morgenluft ist so klar, dass selbst die Vororte der jordanischen Hauptstadt Amman deutlich am Horizont zu erkennen sind. Steil fallen die Berge ab zum Jordangraben, nur um sich auf der gegenüberliegenden Seite ebenso steil hinaufzuziehen nach Jerusalem. "Dies ist der tiefste Punkt der Erde, und noch dazu haben wir heute den tiefsten Sonnenstand des Jahres. Von hier aus geht es in jeder Hinsicht hinauf", sagt Helen. Seit vier Tagen ist die Schweizerin unterwegs - zu Fuß von Amman nach Jerusalem und weiter zur Weihnacht in Bethlehem, zusammen mit 27 Mitpilgern.

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Natürlich ist es etwas Besonderes, zu Fuß in Jerusalem anzukommen, sagt Mitpilgerin Bea. "Aber unsere Leistung ist nichts im Vergleich zu den vieren!" Die vier - Christian, Esther, Franz und Hildegard - sind vor sieben Monaten in der Schweiz aufgebrochen, ebenfalls zu Fuß. Der Rest ist eigens angereist, um die Kerngruppe für die letzte Strecke des 4.000 Kilometer langen Weges zu begleiten. Rund 1.000 Höhenmeter gilt es auf den letzten beiden Etappen nach Jerusalem zu überwinden.

Viele der Pilger sind "Wiederholungstäter" und haben das Heilige Land schon mindestens einmal bereist. Max, bayerischer Pfarrer im Ruhestand, ist hingegen der einzige, der schon einmal zu Fuß nach Jerusalem gewandert ist. "Das ist 30 Jahre her", erzählt er, "damals war ich der Überzeugung, dass alles möglich ist." Seine zweite Fußwallfahrt sei so etwas wie "ein Abschluss", erklärt der 70-Jährige.

Als "Versöhnungsreise" für interreligiöses Lernen und Frieden hat die Vierer-Kerngruppe im Juni ihren Fußweg durch elf Länder begonnen. Was das in dieser konfliktreichen Region bedeutet, hat die Gruppe am Vorabend beim Grenzübertritt von Jordanien nach Israel erlebt. Auf beiden Seiten von militärischem Sperrgebiet flankiert, dürfen die Pilger ihren Weg nicht zu Fuß fortsetzen und müssen auf den Bus ausweichen. Auch die Weiterfahrt nach Jericho, dem Ausgangspunkt für die letzten beiden Wandertage, steht im Zeichen des israelisch-palästinensischen Konflikts: Der Kontrollpunkt auf dem direkten Weg vom Grenzübergang in die Stadt ist geschlossen; die Gruppe muss Jericho in einem weiten Bogen bis zum zweiten Checkpoint umfahren.

Engagement für den Frieden, religiöse Suche, Neugier: Die Motivationen der Kurzzeit-Mitpilger sind vielseitig. Jurist Martin ist einer der wenigen, der erstmals im Heiligen Land ist. Als seine Mitbewohnerin ihren Rucksack für die Pilgerreise gepackt hat, erzählt er, habe er spontan entschlossen, sich ihr und der Gruppe anzuschließen. Brigitte hat die Vierergruppe auf deren Weg bei sich beherbergt. "Mir als deutschsprachiger Südtirolerin sind die Fragen nach dem Zusammenleben verschiedener Kulturen vertraut - und auch die Schwierigkeiten!"

Die ungewöhnliche Gruppe erregt Aufmerksamkeit. Kurz vor der Mittagspause beim griechisch-orthodoxen Georgskloster wartet ein Kamerateam des israelischen Fernsehens. Ein weiteres Kamerateam begleitet die Pilger bereits seit Amman. Nur im Kloster sieht mans gelassen. "Sieben Monate - das sind 210 Tage", rechnet der arabische Klostermitarbeiter hoch. Er serviert einen Kaffee und zuckt mit den Schultern, nicht im mindesten beeindruckt von den zurückgelegten Kilometern.

Die Mittagspause ist kurz. Nach einer weiteren Passage aus der Bibel geht es weiter. Es gilt, vor Anbruch der Dunkelheit das Flusstal zu verlassen. Eine gute halbe Stunde vor dem Tagesziel meldet das GPS schließlich das Erreichen des Meeresspiegels. Rund 250 Höhenmeter weiter zeigt sie sich zum ersten Mal Jerusalem, die "starke Stadt, dicht gebaut und festgefügt", wie es in einem Psalm heißt. Für die Gruppe - ob nun für die einen nach 150 Kilometern oder für die anderen nach 4.000 Kilometern - heißt es: "Schon stehen wir in deinen Toren!" 15 Kilometer und ein letzter Wandertag trennen die Wanderer noch von ihrem Ziel.

Hinweis: Fotos finden Sie in der KNA-Bild-Datenbank auf www.kna-bild.de oder direkt mit folgendem Link:
http://bilddb.kna-bild.de/marsKna/open.jsp?action=job&id=1122184

(KNA)
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