Grüner Tourismus auf den Seychellen Wiedergewonnenes Paradies

North Island/La Digue · Ob es am forschen Fahrstil der Einheimischen liegt? Oder dem erhöhten Verkehrsaufkommen geschuldet ist? Die Seychellen haben jüngst ihre erste richtige Fußgängerampel errichtet. Der Trubel in dem Inselstaat im Indischen Ozean ist allerdings weiterhin überschaubar. Neben dem Fischfang leben die rund 87 000 Seychellois seit den 70er Jahren hauptsächlich vom Tourismus.

Seychellen - Wiedergewonnenes Paradies
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Foto: dpa, Dana Allen

Doch von penetranten Souvenirverkäufern und aufdringlichen Restaurant-Werbern bleiben Besucher verschont. Nicht einmal die Marktfrauen, die in der überschaubaren Hauptstadt Victoria Fisch, Obst und Gemüse verkaufen, schreien ihren Kunden nach. Statt großer Hotelburgen gibt es nur kleine Resorts. Das kommt auch der Umwelt zugute.

Jules Radegonde ist einer, der davon profitierte, dass das Ökosystem rund um seine Heimatinsel La Digue noch weitgehend intakt ist. Er merkt es täglich am späten Vormittag, wenn seine Lieferanten ihm die Tintenfischration für seinen Meeresfrüchte-Salat aus dem Meer bringen.

Den Handrücken von Radegonde ziert eine lange Narbe - "ein Andenken ans Leinenfischen, vermutlich ein großer Wahoo oder ein Thunfisch", erzählt er. Sein Hauptgeschäft ist inzwischen wesentlich weniger gefährlich. Mit seiner Freundin betreibt er vor dem gemeinsamen Haus an der dünn besiedelten Ostküste der Insel eine kleine Saftbar. Fruchtcocktails aus Mangos, Bananen und Passionsfrüchten haben sie im Angebot oder ganze Kokosnüsse, die sie mit der Machete aufschlagen.

Das Obst kommt aus den Gärten der Insel. Die Frucht-Cocktail-Stände ersetzen gewissermaßen die Tankstellen auf der fast autofreien Insel, auf der Einheimische wie Touristen vornehmlich auf klapprigen Fahrrädern unterwegs sind - und bei tropisch-warmen Temperaturen reichlich Durst haben.

In 15 Jahren das Ökosystem wieder aufgebaut

Wer mit Linda Vanherck auf die Gipfel von North Island kraxelt, sucht Erholung - und sorgt damit gewissermaßen überhaupt erst für das Überleben der Insel. Die Belgierin leitet das Renaturierungsprojekt dort und erzählt von ihrer Arbeit am liebsten unterwegs.

Die Vorgeschichte klingt grauenvoll: Mit dem Zusammenbruch der Kokos-Industrie war die unbewohnte ehemalige Plantageninsel ihrem Schicksal überlassen. Giftige Nadelbäume, einst als Windschutz gepflanzt, und eingeschleppte Wucherpflanzen erwürgten die natürliche Vegetation, während kletternde Ratten die Gelege aus den Vogelnestern fraßen. Verwilderte Katzen, eigentlich gegen die Rattenplage auf das 201-Hektar kleine Eiland nordwestlich der Hauptinsel Mahé gebracht, labten sich lieber an den Seevögeln.

North Island schien von der touristischen Landkarte des Inselparadieses im Indischen Ozean für alle Zeiten verbannt. Doch 1997 begann ein südafrikanischer Luxus-Tourismus-Anbieter mit dem Wiederaufbau des zusammengebrochenen Ökosystems. Fallen erlegten die streunenden Katzen, Giftköder die Nager. Mangels Beute fielen schließlich sogar die ebenfalls nicht heimischen Schleiereulen verhungert von den Palmen. "Es war nicht besonders human in diesen Tagen", sagt Vanherck heute. Die Biologin lebt und arbeitet seit 2005 auf North Island, dem Jahr, in dem die letzte Ratte verendete.

"Als wir damals durch die Wälder gelaufen sind, haben sie gestunken", erzählt sie. Schuld waren die Rattenkadaver. "Aber nachdem wir die nichtheimischen Arten getötet hatten, konnten wir mit dem schönen Teil beginnen." Die zierliche Frau mit den zum Zopf geflochtenen graublonden Haaren erzählt, wie bedrohte Vogelarten ausgewildert werden konnten und Wasserschildkröten in den Süßwassersumpf der Insel zurückkehrten.

Naturschutz dank Luxusvillen

Finanziert wird der Weg zurück zur intakten Natur durch elf sündhaft teure Luxusvillen, die solventen Gästen auf der Privatinsel ein Robinson-Crusoe-Erlebnis in völliger Abgeschiedenheit bieten.

"Rehabilitation ist fantastisch, aber jedes Stück, das man renaturiert, muss man auch unterhalten", sagt Insel-Manager Noel Cameron über das Geschäftsmodell und verweist auf die hohen Kosten des Naturschutz.

"Es geht nicht nur darum, die Vögel zurückzubringen, wir mussten natürliche Fruchtbäume pflanzen und überprüfen, ob wir genügend Bodenbewuchs für ausreichend Insekten haben", erklärt Vanherck. Mit ihrem Team schneidet sie deshalb wild wuchernde Passionsfrucht-Ranken zurück, die in kürzester Zeit den Platz einnehmen, den gefällte Kokos-Palmen zurücklassen.

Das Privatreservat fügt sich damit ein in die Strategie der Regierung, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten mit zusätzlichen Reservaten und Schutzgebieten immer stärker auf den Naturschutz setzte. Wenn Linda Vanherck schließlich auf dem 110 Meter hohen Felsmassiv steht und ihren Blick über die tiefgrüne Insel schweifen lässt, wird auch ohne Worte klar, dass hier jemand sein Lebenswerk umsetzt. "Ein bisschen", sagt sie schließlich gedankenverloren, "ist es so, als würde man Gott spielen".

Info-Kasten: Seychellen

(dpa/anch/rm)
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