Australien Bienenkörbe und Rinderpfade in den Kimberleys

Keiner wollte hin. Zu abweisend waren die schroffen Gebirge und zu lebensfeindlich die trockene Buschlandschaft. Doch das Hinterland verfügte offensichtlich über erhebliche Wasserreserven, denn zwischen Derby und Darwin mündeten fünf große Flussläufe in die Meeresbucht. Und so kamen die Forscher. Ihnen folgten Farmer und Viehzüchter, die eine neue und bessere Existenzgrundlage witterten. Doch trotz ihrer landwirtschaftlichen und verkehrstechnischen Erschließung sind die Kimberleys bis heute Australiens "Last Frontier" geblieben.

So hielten sich die Besucherströme bislang in engen Grenzen und wurden von Publikumsmagneten wie Broome im Westen und Darwin im Osten schnell aufgesogen. Eine Entwicklung, die in keinem Verhältnis steht zu den landschaftlichen Reizen, die diese westaustralische Region zu bieten hat. Allen voran der Purnululu-Nationalpark mit seinen "Bungle Bungle"-Gesteinsformationen, die vom Oberlauf des Ord River umschlungen werden.

John ist an diesem sonnigen Morgen der Pilot der kleinen Propellermaschine, die schwungvoll vom Flughafen des Städtchens Kununurra abhebt und in einem eleganten Bogen den in tiefem Blau schimmernden Stausee des Ord River überfliegt. Dann, nach einer Flugstunde, reicht seine knappe Geste aus, um jenseits des Flugzeugpropellers die weltweit einmalige Gebirgsformation auszumachen, die aus der Vogelperspektive wie eine von Zauberhand angeordnete Ansammlung riesiger Bienenkörbe aussieht. Ein Eindruck, der sich noch dadurch verstärkt, dass jeder dieser Körbe von verschiedenfarbigen Streifen umgeben ist, die den Eindruck traditionell geflochtener Bienenkörbe noch verstärken.

Schon wartet Nationalpark-Führerin Verena ungeduldig an ihrem Geländefahrzeug, um ihren Tagesgästen einen völlig unerwarteten Bereich der Bungle Bungles näher zu bringen. Es sind die im Norden des Felsmassivs eingegrabenen tiefen Felsschluchten, allen voran die "Mini Palms Gorge" und der "Echydna Chasm". Schon bald hinter dem jeweiligen Eingang in die schmalen Schluchten versperren nur schwer passierbare Felsbrocken den Weg oder rücken die steil abfallenden Felswände so nahe aneinander, dass ein Hindurchzwängen nur unter erheblichen Anstrengungen möglich ist.

Atemberaubend auch eine Bootsfahrt auf dem Ord River zurück nach Kununurra. Es ist der große Auftritt von Jeff, der auf der mehr als fünfzig Kilometer langen Strecke zwischen beiderseits hoch aufragenden Felswänden alles im Detail erklärt, das da kreucht und fleucht. Träge dösen am Flussufer die Frischwasserkrokodile in der Sonne und springen Wallabys munter über die dicken Felsbrocken. Oder hängen Flughunde kopfüber an den Ästen der Eukalyptusbäume, um kurz vor Sonnenuntergang auf der Suche nach Nahrung für kurze Zeit das Boot zu eskortieren.

Weniger als eine Stunde Fahrtzeit ist es dann noch von hier aus zur alten Gibb River Road, die an der Ostseite der Kimberley aus dem Gebirge heraus tritt. Ein Mythos deswegen, weil auf ihr von Derby aus die Rinder herdenweise unter großen Anstrengungen und Opfern in Richtung Osten getrieben wurden und damit eine der wirtschaftlichen Grundlagen der Region bildeten. Über weite Teile der Straße ist Waschbrettpiste angesagt. Mit hoher Geschwindigkeit gleitet Fahrerin Cassie darüber hinweg, um den Insassen ihres vierradgetriebenen Geländefahrzeugs unangenehme Erschütterungen zu ersparen. Ziel ist die Home Valley Station, für die die traditionelle Viehzucht noch heute eines ihrer wirtschaftlichen Standbeine darstellt. Wegen ihrer romantischen Lage am Bindoola River heute jedoch vor allem eine geeignete Unterkunftsmöglichkeit in einer rauen Umgebung. Als Überbleibsel aus alten Zeiten fällt die alte Scheune ins Auge, in der als "Dusty Bar & Grill" allabendlich bei Live-Musik feierlich das Dinner serviert wird.

Am nächsten Morgen dann der vierstündige Ausritt auf bereit stehenden Western-Pferden. Stallleiter Harry übernimmt in zünftigem Cowboy-Outfit die Führung auf dem unauffälligen Reitweg entlang dem Pentecost River, einem Eldorado für Greifvögel, Pelikane und Reiher. Dabei im Hintergrund stets die imponierende Kulisse der Cockburn Range, die der weiten Buschlandschaft Struktur verleiht und das Landschaftserlebnis perfekt macht. Noch dämpft ein bewölkter Westhimmel die hochgesteckten Erwartungen. Doch dann bricht die Sonne am Saum des Horizonts für einen kurzen Augenblick hervor und verwandelt die tief herab hängenden Wolkenbäuche in ein feuriges Rot, das sich schnell über den gesamten Westhimmel ausbreitet. Eine wahre Sternstunde. Nicht nur wegen der funkelnden Venus, die nun als aus einem Wolkenloch hervor funkelt.

(RP)
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