Der Massai-Mara-Nationalpark in Kenia Zelten am schönsten Fleckchen Afrikas

Nairobi · Afrika, wie es sich viele erträumen: Der Massai-Mara-Nationalpark in Kenia ist voller wilder Tiere, voller Abenteuer und Romantik. Er ist eine Reise wert - aber das Paradies ist akut bedroht.

Der Massai-Mara-Nationalpark
12 Bilder

Der Massai-Mara-Nationalpark

12 Bilder

Die Hyäne gluckst und kichert vor sich hin. Das Flusspferd schnaubt neben der Zeltwand, entfernt sich dann aber langsam. Affen ziehen zeternd von Baum zu Baum. Irgendwo brüllen Löwen: Das ist eine ruhige Nacht im Mara Bush Camp mitten im kenianischen Massai-Mara-Nationalpark. Denn kein Elefant, kein Büffel und kein Leopard verirrt sich zu den zehn Zelten an der Biegung des Ololorok-Flusses.

Aber im Paradies ist niemand alleine. Wenn an einem der schönsten Fleckchen Afrikas die Sonne aufgeht, fällt der Blick auf viele Geländewagen. Sie sind in der grünen Savanne mit ihren Schirmakazien und Herden von Gnus, Zebras, Impalas nicht zu übersehen. Im günstigsten Fall sind die Wagen ein paar Kilometer entfernt. Schlimmstenfalls geht es am zugeparkten Mara-Fluss wie am roten Teppich bei der Oscar-Verleihung zu. Die Szenerie ist ja auch sehenswert: Tausende von Gnus stürzen sich fotogen ins Wasser, um trotz der lauernden Krokodile das andere Ufer zu erreichen.

Ein aufsteigender Trend

Der Tourismus ist Kenias wichtigste Einnahmequelle, gefolgt vom Export von Blumen, Kaffee und Tee. Seit Anfang 2008, als blutige Unruhen nach umstrittenen Wahlen die Safaritouristen verschreckten, hat sich die Schlüsselindustrie wieder erholt. 2010 sorgten rund eine Million Touristen für Einnahmen von umgerechnet 670 Millionen Euro.
Die Regierung will noch mehr. Offizielles Ziel für 2012 sind zwei Millionen Reisende - was mit Sicherheit verfehlt wird. Aber der Trend zeigt aufwärts.

Wer sich zum ersten Mal im Massai-Mara-Reservat umschaut, ist überwältigt: Selbst ohne die große Wanderung der Gnus aus der angrenzenden tansanischen Serengeti steht der Besucher vor einer parkartigen Bilderbuchlandschaft voller wilder Tiere. Elefanten, Löwen, Büffel und Leoparden gibt es, mit etwas Glück läuft auch ein Nashorn vor die Linse. Nach dem ersten Abhaken von Tieren beginnt bei den meisten Reisenden das etwas gelassenere Beobachten.

Natur schöner als im Film

Wer mit einem guten Safari-Anbieter unterwegs ist und den Geländewagen ausschließlich für sich und die Familie oder Freunde gebucht hat, kann dann einfach stehen bleiben und sich Zeit nehmen: Vielleicht eine halbe Stunde für eine Zebraherde oder die Geier oder die Impalas oder die staksigen Sekretärvögel oder die Flusspferde - oder was auch immer. Meryl Streep und Robert Redford sind zwar nicht mehr da, aber manchmal scheint die Wirklichkeit noch schöner als im Film "Out Of Africa" zu sein.

Aber wer schon vor 30 Jahren in der Mara war und das Reservat aus alten Zeiten kennt - wer sich von Nairobi aus über 250 Kilometer Straße in sechs Stunden langsam annäherte, statt sich komfortabel einfliegen zu lassen - der sieht auch anderes. Erstens führt der Weg ins Paradies der Tiere jetzt vorbei an eingezäunten Weizenfeldern, die es früher nicht gab, vorbei an Massai-Dörfern, vorbei an vielen großen Rinderherden. Und zweitens gibt es deutlich weniger Wildtiere als einst.

Steigende Bevölkerungszahlen werden zum Problem

Der Bevölkerungsdruck ist längst in der nur scheinbar idyllischen Wildnis angekommen. Seit 1980 ist die Zahl der Kenianer um etwa 150 Prozent auf jetzt 41 Millionen gestiegen - und nach UN-Schätzungen wird das Wachstum weitergehen. Die Menschen brauchen Platz, Arbeit, Nahrung. Das sieht man auch hier. Der kenianische Anthropologe Richard Leakey, langjähriger Leiter der Wildschutzbehörde, formuliert es so: "Früher lebten 100.000 Elefanten in Kenia, und wir hatten damit kein nennenswertes Problem. Das Problem ist nicht, dass es jetzt mehr Elefanten gibt."

David Karanja, Safari-Guide im Mara Bush Camp, kennt den riesigen Nationalpark wie seine Westentasche. Er entdeckt Löwen und Geparden dort, wo seine Passagiere nur viel Grün sehen. Sehr viele Tiere gebe es und sicherlich auch ein paar Wilderer, sagt er. Aber die Wilderei halte sich in Grenzen: Vor allem seien das wohl junge Massai-Krieger, die schon seit Ewigkeiten ihre Männlichkeit zu beweisen versuchen, indem sie einen Löwen mit dem Speer abstechen. "Hakuna Matata", kein Problem also?

Die Zahl der Wildtiere sinkt

Joseph Ogutu, Bioinformatiker an der Universität Hohenheim, sieht das ganz anders. Die Zahl der Rinder, die von den Massai im Nationalpark illegal geweidet werden, habe sich seit dem Beginn der Tierzählungen aus der Luft im Jahr 1977 mehr als verzehnfacht. Zugleich sei die Zahl der Wildtiere um zwei Drittel gesunken. Davon betroffen seien auch all jene großen Säugetiere - von Elefanten über Giraffen bis hin zu Büffeln - dem Markenzeichen der Massai Mara. Schlimmer noch: Auch die jährliche Wanderung von Gnus und Zebras, eines der großen Naturspektakel der Erde, sei heute schon um zwei Drittel kleiner als Anfang der 1980er-Jahre.

Diese erste Langzeitstudie hat für viel Aufsehen gesorgt. Das seien nur Momentaufnahmen, argumentieren die Kritiker. Aber viele Experten räumen ein, dass der Negativtrend grundsätzlich unbestreitbar ist. Brian Heath, Chef der Mara Conservancy, die das sogenannte Triangle (Dreieck) im Nordwesten der Mara verwaltet, schätzt, dass im gesamten Massai-Land der Bestand der Wildtiere in den vergangenen 35 Jahren um 80 Prozent geschrumpft ist. Hunderttausende Hektar Weideland seien als Ackerland an Weizenbauern gegeben worden, die von Generationen von Massai geschützten Wälder würden in alarmierendem Tempo abgeholzt.

Mehr als 30 getötete Elefanten

Im ersten Halbjahr 2012 zählten die Triangle-Wildhüter alleine in diesem Teilbereich des Nationalparks mehr als 30 von Wilderern getötete Elefanten. Die Elefanten an der Grenze zu Tansania seien mittlerweile so verängstigt, dass sie beim Auftauchen von Menschen voller Panik flüchten. Mit traditionellen Mutproben habe das nichts zu tun: Die Massai seien im Verkauf verbotener Trophäen - von Elfenbein und Hörnern über Straußeneier bis hin zu Fellen und Pythonhäuten - sehr aktiv.

Und selbst um die Löwen, von denen es einst in der Mara nur so wimmelte, macht sich Heath Sorgen. Mittlerweile säßen junge Massai auf den Höhen des Oloololo-Gebirgszuges und beobachteten, wo die Touristen Löwen fotografierten. In der Dämmerung jagten die "Moran" (Krieger) dann die noch verbliebenen Löwen. Sie haben leichtes Spiel: "Was kann noch zahmer sein als ein Löwe in der Mara?", fragt Heath. "Wenn das mutige Moran wären, dann würden sie die Löwen jagen, die in den Dörfern die Rinder fressen. Aber die sind ihnen zu gefährlich."

Ein Paradies in Gefahr

Touristen merken meist wenig von diesen Problemen - nicht nur, weil viele Herden von den Massai nachts in den Park getrieben werden und die Wilderei naturgemäß kaum sichtbar ist. Und nur Botaniker wissen, wenn sie das in der ganzen Dritten Welt gefürchtete Unkraut Parthenium hysterophorus am Wegrand blühen sehen, dass sich hier seit wenigen Jahren eine biologische Gefahr ausbreitet. Experten schätzen sie als potenziell existenzbedrohend für den Nationalpark ein.

Das alles ändert nichts daran, dass der Aufenthalt in der Mara - wozu neben dem Nationalpark noch neun angrenzende Schutzgebiete gehören - immer noch ein großes und unvergessliches Erlebnis ist. Die Übernachtungsmöglichkeiten sind reichlich, allerdings fast alle sehr teuer. Es gibt Lodges, vor allem aber Zeltcamps unterschiedlicher Qualität. Oft lassen diese Zelte - mit eigenem Bad und warmem Duschwasser - wenig Komfortwünsche offen. Im Mara Bush Camp gehört eine Kuhglocke am Zelt dazu: Das Lager ist nicht eingezäunt. Und bevor man sich auf den Weg zu Restaurant, Bar und Lagerfeuer macht, ruft man besser einen Massai-Krieger. Der begleitet den Gast dann. Die Spitze seines Speers ist sehr scharf.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort