Dreiband-WM Billard versucht Neustart in Viersen

Viersen · Es sind prominente Namen, die bei der Dreiband-Weltmeisterschaft für Nationalmannschaften ab Donnerstag in der Viersener Festhalle fehlen. So reisen die Belgier ohne Eddy Merckx an, der an der Seite von Frédéric Caudron von 2012 bis 2015 viermal den Titel gewann.

Die Billard-WM in Viersen 2013
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Bei den Spaniern fehlt Daniel Sanchez, die Nummer vier der Weltrangliste. Sie und weitere Spieler bleiben der unter den Billard-Cracks eigentlich überaus beliebten Traditionsveranstaltung wohl fern, weil es in Viersen erstmals einen komplett neuen Modus geben wird.

Es wird nicht mehr die Duelle Mann gegen Mann geben, sondern nur noch im sogenannten Scotch-Double-System gespielt. Dabei wechseln sich beide Akteure eines Teams so lange ab, bis sie einen Fehler machen. Dann sind die Gegner dran, wer zuerst 40 Punkte hat gewinnt. Nachdem der Weltverband im vergangenen Jahr diese Regeländerung beschlossen hatte, löste das große Skepsis aus. Nicht so bei Michael John, Präsident der Deutschen Billard-Union (DBU). "Billard hat zu lange von den Traditionsbewahrern gelebt. Es muss sich etwas tun, sonst geht der Sport komplett unter", sagt er etwas provokant.

John weiß nur zu gut, wovon er spricht. Denn er ist von Hause aus kein Billardspieler, sondern arbeitete vor seiner Pensionierung im Jahr 2012 als Sportdirektor für den Deutschen Golfverband, als Geschäftsführer des Internationalen Stadionfests (ISTAF) in Berlin und war beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) für den nicht-olympischen Spitzensport zuständig. Beim DOSB hatte er also auch mit Billard zu tun und wurde nach Abschluss seiner beruflichen Karriere vom mittlerweile verstorbenen DBU-Ehrenpräsidenten Wolfgang Rittmann gebeten, den in extreme finanzielle Nöte geratenen Billard-Verband zu beraten. 2013 ließ er sich dann zum Präsidenten wählen und half mit, die DBU zu entschulden. Seitdem versucht John, den Verband mit den Sparten Karambolage, Pool und Snooker zu modernisieren.

"Das sind schon ganz dicke Bretter, die man da bohren muss. Ein Umdenken ist nur schwer zu erreichen", betont John. Dabei ist genau das aus seiner Sicht im permanenten Konkurrenzkampf mit den anderen Randsportarten um Aufmerksamkeit nötig. Auch mit Blick auf die Bedingungen für Fördermittel des Bundes machte sich John daran, die Strukturen im Billard schlanker und leistungsorientierter zu organisieren. Qualifizierte Trainer wurden verpflichtet und klare Nominierungskriterien für die C- bis A-Kader festgelegt. "Die Profilierung des Verbandes funktioniert nur über eine leistungssportliche Orientierung", ist John überzeugt. Dazu gehöre auch, den Billardspielern Inhalte von Trainingslehre und Wettkampfplanung zu vermitteln, was den meisten bislang völlig fremd sei.

Als weiteres großes Problemfeld sieht der DBU-Präsident die Altersstruktur unter den Topspielern. Der liegt seiner Einschätzung nach bei rund 45 Jahren, von unten kommt zu wenig nach. Deswegen wird inzwischen auch verstärkt der Nachwuchs gefördert. Der 25-jährige Dinslakener Dustin Jäschke ist zum Beispiel die größte Hoffnung im deutschen Dreibandbillard. Er wurde im vergangenen Jahr von der DBU zu Weltcupturnieren geschickt und feierte in Viersen seine WM-Premiere. Auch in diesem Jahr ist er in der Festhalle Teil des deutschen B-Teams. "Früher hätte Dustin keine Chance bei der Team-WM gehabt, weil die Spieler lange dabei bleiben und bei Zweiterteams die Kanäle verstopfen. Jetzt geben wir ihm die Chance", erklärt John. Davon könnte künftig auch der 19-jährige Nettetaler Tom Löwe profitieren, dem viel Potenzial bescheinigt wird.

Für Nachwuchsakteure wie ihn wäre es sehr wichtig, dass die Mannschafts-WM auf Dauer in Viersen bleibt. Denn für den Verband ist es naturgemäß im eigenen Land einfacher, den jungen Spielern die Chance zu geben, sich mit den Weltbesten zu messen. Insofern wäre es also ganz im Sinne der Modernisierer der Sportart, wenn der neue WM-Modus gut ankäme und die Veranstaltung so gestärkt würde. Daran wäre verständlicherweise auch der Stadt Viersen gelegen, die ansonsten nur noch das Internationale Hochsprungmeeting und das Jazz-Festival als Veranstaltungen mit überregionaler Strahlkraft im Angebot hat. Der Vertrag mit der Sparda-Bank, die 2015 als Sponsor eingestiegen ist und damit maßgeblichen Anteil am Verbleib der WM in Viersen hatte, läuft nächstes Jahr aus. Dann wird neu verhandelt. Bürgermeisterin Sabine Anemüller (SPD) will sich für eine Fortsetzung der WM-Tradition stark machen: "Die WM gehört nun mal zu Viersen."

Wie lange Michael John den Billardsport auf dem Weg in die Zukunft noch begleitet, steht nicht feste. Nächstes Jahr stehen bei der DBU Neuwahlen an. Ob er selbst weitermachen möchte, hängt auch von dem Abschneiden der deutschen Billardspieler im Juli bei den World Games in Polen ab. Die Spiele für die nicht-olympischen Sportarten sind ein entscheidender Faktor für die weitere Förderung durch den deutschen Staat. Und für seine Zukunftspläne könnte Michael John sehr gut noch ein paar zusätzliche Euro gebrauchen.

(RP)
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